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Taurus-Abhöraffaire zieht Kreise

Pistorius: Putin will unsere Geschlossenheit untergraben

In der Taurus-Abhöraffäre hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu Besonnenheit und Geschlossenheit aufgerufen. Niemand glaube, dass die Veröffentlichung des Mitschnitts eines Gesprächs von Bundeswehroffizieren über Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine ein Zufall gewesen sei, sagte Pistorius am Sonntag in Berlin. "Hier geht es eindeutig darum, unsere Geschlossenheit zu untergraben. Es geht darum, unsere Innenpolitik auseinander zu treiben." 

Die deutsche Politik dürfe nicht den Fehler machen, Russlands Präsident Wladimir Putin auf den Leim zu gehen, warnte Pistorius. "Es ist Teil eines Informationskrieges, den Putin führt."

Der Minister reagierte damit auf Äußerungen aus der Union, die die Glaubwürdigkeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) infrage stellen: Der Kanzler habe seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen "möglicherweise mit einer Falschdarstellung begründet", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem "Spiegel". Er und andere Unionspolitiker forderten, Scholz müsse sich "vor dem Bundestag erklären". Auch ein Untersuchungsausschuss könne "nicht ausgeschlossen werden". 

Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte der "Welt", die Union habe eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses beantragt und fordere das persönliche Erscheinen von Scholz. 

Der Kanzler sprach am Samstag von einer "sehr ernsten Angelegenheit", die "jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt" werde. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) leitete eine Untersuchung ein. Pistorius mahnte am Sonntag, die Ergebnisse der Untersuchung abzuwarten. 

Es gehe jetzt um die inhaltlichen und regulatorischen Konsequenzen, personelle Konsequenzen wären "definitiv viel zu hoch gegriffen", sagte der Minister. Es könne um disziplinarrechtliche  Konsequenzen gehen, sollte sich herausstellen, dass die Beteiligten falsch gehandelt hätten.

Zur möglichen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses äußerte sich Pistorius zurückhaltend. Es stelle sich die Frage, ob der Vorgang einen Untersuchungsausschuss mit all seinen innenpolitischen Implikationen und all dem, was dann öffentlich diskutiert werde, rechtfertige. Er sei aber sicher, dass der Bundestag verantwortungsbewusst mit der Thematik umgehen werde, sagte der Minister.

Ein russischer Staatssender hatte am Freitag den Mitschnitt eines Gesprächs per Webex zwischen vier Bundeswehroffizieren über einen möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern durch ukrainische Streitkräfte veröffentlicht. Darin geht es um den seit Monaten von der Ukraine gewünschten Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben. Unter anderem wird darüber gesprochen, ob auch die Kertsch-Brücke getroffen werden könnte, welche die Halbinsel Krim mit dem russischen Festland verbindet, und ob ukrainische Streitkräfte das Waffensystem ohne Beteiligung der Bundeswehr vor Ort bedienen könnten. 

Scholz schließt die Lieferung des Taurus-Waffensystems trotz Kritik auch aus den Reihen der Koalitionspartner aus. Er begründet seine Weigerung damit, dass Deutschland dadurch in den Ukraine-Krieg hineingezogen werden könnte, bis hin zu einer direkten Beteiligung des deutschen Militärs. Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionspartner Grüne und FDP sowie die oppositionellen Unionsparteien weisen diese Argumente zurück und plädieren offen für Taurus-Lieferungen an die Ukraine.

Die Regierung in Moskau forderte am Samstag "Erklärungen von Deutschland". Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew schrieb am Sonntag im Onlinedienst Telegram, Versuche, das Gespräch der Bundeswehroffiziere als ein bloßes Gedankenspiel über Raketen und Panzern darzustellen, seien "böswillige Lügen". Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats fügte hinzu: "Deutschland bereitet sich auf einen Krieg mit Russland vor."

ilo/ran


© Agence France-Presse