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Stimmung am Siedepunkt - Bauern drehen mit 10000 Fahrzeugen durch

Tausende Bauern protestieren in Berlin - Kaum Zugeständnisse der Bundesregierung

Bauernproteste


Tausende Landwirte in ihren Traktoren, unterstützt von Lkw-Fahrern, haben am Montag in Berlin gegen die Politik der Bundesregierung demonstriert. 

Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer an der Kundgebung am Brandenburger Tor auf 8500. Insgesamt rund 6000 Fahrzeuge, davon 4000 Traktoren, legten demnach im Zentrum der Hauptstadt teilweise den Verkehr weitgehend lahm. Die Bundesregierung zeigte sich dennoch kaum bereit für Zugeständnisse.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) trat begleitet von Pfiffen und Buh-Rufen vor die Protestierenden und verteidigte die geplante Kürzung bei der Dieselsubvention. Es brauche Einsparungen und da müsse auch die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten, sagte er. Im Gegenzug bot er den Bauern Bürokratieabbau an. Er werde sich für "mehr Freiheit" und Anerkennung der Leistung der Bauern einsetzen.

Lindner hatte zunächst Mühe, sich wegen des Pfeifkonzerts überhaupt Gehör zu verschaffen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, versuchte die Protestierenden zu beruhigen. "Der Finanzminister ist hier und es gebührt der Respekt ihm zuzuhören", sagte er an die Menge gewandt. "Ich bitte Sie und fordere Sie auf ruhiger zu sein."

Die Großdemonstration in Berlin bildete den Abschluss einer ganzen Woche mit Protestaktionen im ganzen Land. Im Bereich rund um das Brandenburger Tor kam es zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen. Die Veranstaltung blieb insgesamt nach Angaben der Polizei aber "im erwarteten Rahmen". Am Rand habe es einige wenige Vorfälle im Zusammenhang mit Pyrotechnik gegeben, sagte eine Polizeisprecherin.

Der Unmut der Bauern hatte sich an den Sparplänen der Bundesregierung entzündet. Die Proteste richten sich mittlerweile aber allgemeiner gegen die Ampel-Regierung. Für den frühen Nachmittag hatten die Spitzen der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP im Bundestag Vertreter der Bauern zum Gespräch eingeladen. Ein Ergebnis brachte dies jedoch nicht.

"In Sachen Agrardiesel" gebe es noch keine Lösung, sagte der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken. Er sehe hier aber noch "Handlungsspielraum" im Zuge der anstehenden Beratungen im Bundestag über den Haushalt 2024. "Wir setzen jetzt für die nächsten Tage auf den Austausch und hoffen, dass es eine Lösung gibt, die auch die Landwirtschaft mittragen kann", sagte auch Rukwied. Andernfalls "behalten wir uns weitere Aktionen vor".

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, das Gespräch im Bundestag sei ein "erster Auftakt" gewesen. Es sei ein "wichtiges Signal", dass miteinander geredet werde. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann forderte "faire Handelsbedingungen" für Landwirte und Landwirtinnen gegenüber "der Marktmacht der großen Lebensmittelkonzerne". SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kündigte bis zur Sommerpause "klare strukturelle Entscheidungen" des Bundestages an, "die der Landwirtschaft Planungssicherheit bringen und auch Entlastung".

"Die Kollegen in der Fraktion und auch der Bundeskanzler haben verstanden, dass es den Demonstrierenden nicht allein um die Agrardieselsteuer geht", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). "Der Frust sitzt viel tiefer und betrifft den gesamten ländlichen Raum, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und die natürlich auch die Fischereiwirtschaft."

"Ich kann den Ampel-Vertretern nur dringend raten, den Landwirten endlich zuzuhören und ihre Anliegen ernst zu nehmen", erklärte Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Es reiche nicht, nur Gespräche zu führen "in der Hoffnung, die Proteste der Bauern eindämmen zu können". Es brauche "echte Lösungen". "Die Bauernproteste sind Ausdruck einer Anti-Ampel-Stimmung im Land, die immer mehr zunimmt und hoffentlich zum baldigen Abgang der Regierung führt", sagte die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht der "Berliner Zeitung".

pe/bk  © Agence France-Presse