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Kiew lehnt "humanitäre Korridore" ab

Kurz vor einer dritten Verhandlungsrunde zwischen Russland und der Ukraine hat Kiew von Moskau geplante "humanitäre Korridore" nach Russland und Belarus abgelehnt.

"Das ist keine akzeptable Option", erklärte die stellvertretende ukrainische Regierungschefin Iryna Wereschtschuk am Montag. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warf Moskau "moralischen und politischen Zynismus" vor. Die Ukraine bereitete sich nach einer weiteren Bombennacht auf neue Offensiven der russischen Armee vor.

Moskau hatte am Morgen die Öffnung mehrerer "humanitärer Korridore" angekündigt, über die Menschen aus den Städten Kiew, Charkiw, Mariupol und Sumy in Sicherheit gebracht werden sollen. Diese Entscheidung sei auf "persönliche Bitte" des französischen Präsidenten getroffen worden. 

Allerdings soll die Hälfte der Korridore nach Russland oder Belarus führen, von wo die russische Armee am 24. Februar in der Ukraine einmarschiert war. Die Zivilisten würden "nicht nach Belarus gehen, um dann nach Russland zu fliegen", kritisierte die ukrainische Vize-Regierungschefin. 

Macron kritisierte, er "kenne keine Ukrainer, die nach Russland fliehen wollten, das ist reine Verlogenheit". Es handele sich um "eine bloße PR-Nummer, die ich verachte". Es gehe darum, dass Helfer Zugang zu den Konfliktzonen bekämen und dass es einen vollständigen Waffenstillstand geben müsse, um die Menschen in Sicherheit zu bringen.

Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski warf der Ukraine im Staatsfernsehen eine Blockade der Korridore vor. Kiew missbrauche Zivilisten als "menschliche Schutzschilde", was "zweifellos ein Kriegsverbrechen ist". Er kündigte an, die neue Verhandlungsrunde an der polnisch-belarussischen Grenze werde sich um die Korridore drehen. Die ukrainische Delegation traf am Nachmittag am Verhandlungsort ein, wie die russische Nachrichtenagentur Tass meldete.

Russischen Angaben zufolge sollte einer der umstrittenen Korridore von Kiew in die belarussische Stadt Gomel führen. Von der Hafenstadt Mariupol sollte einer von zwei Korridoren in Richtung Russland nach Rostow-am-Don gehen. Einen Korridor soll es zwischen Charkiw und der russischen Stadt Belgorod geben, auch von Sumy soll einer von zwei Korridoren in Belgorod enden. Nach den Worten des russischen Armeesprechers Igor Konaschenkow begannen die lokalen Waffenruhen um 08.00 Uhr MEZ.

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow erklärte am Montagmorgen im Online-Dienst Facebook, die Kämpfe hätten wegen "enormer Verluste" auf russischer Seite vorübergehend nachgelassen. Die russischen Truppen würden nun versuchen, ihre Soldaten "für eine neue Angriffsserie zusammenzuführen", vor allem gegen Kiew, Charkiw, Tschernihiw im Norden und Mykolajiw im Süden.

Ein Berater des ukrainischen Innenministeriums warnte mit Blick auf Kiew, die russischen Truppen würden "wahrscheinlich in den nächsten Tagen versuchen, die Stadt einzunehmen". In der Hauptstadt hielt sich die Armee bereit, die letzte Brücke, die die Stadt mit dem westlichen Umland verbindet, zu zerstören.

"Die Hauptstadt bereitet sich auf die Verteidigung vor", erklärte der Bürgermeister und ehemalige Boxweltmeister Vitali Klitschko im Messengerdienst Telegram. "Kiew wird standhalten!", versicherte er. 

Die Stadt Tschernihiw 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt wurde in der Nacht von russischer Artillerie angegriffen, die ukrainische Armee meldete Kämpfe am Rande der Stadt. Mykolajiw wurde von russischen "Grad"-Raketenwerfern attackiert. Auch auf die Stadt Sumy rückten die russischen Truppen vor. 

Pausenlos bombardiert wurde auch Schytomyr 150 Kilometer westlich von Kiew, dort wurden zahlreiche Häuser zerstört. In der Region Cherson nahe der von Russland annektierten Krim waren zahlreiche Dörfer ohne Strom, Gas, Wasser, Lebensmittel und Medikamente. 

Russische Schiffe im Schwarzen Meer feuerten Raketen auf das Dorf Tusly in der Region Odessa ab, wie ein Militärsprecher der Region, Sergej Bratschuk, mitteilte. Die Angriffe hätten "wichtigen Infrastrukturanlagen" gegolten, verletzt worden sei niemand. Nach Angaben des ukrainischen Bildungsministeriums wurden 211 Schulen durch Bombenangriffe beschädigt. 

Wegen des Ukraine-Kriegs führen US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Macron und der britische Premierminister Boris Johnson am Montagnachmittag per Video ein Vierergespräch. 

ck/cp