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Taliban suchen Annäherung an China

Im Streben nach internationaler Anerkennung suchen die Taliban nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan den Schulterschluss mit China.

Peking wolle, dass die Botschaft in Kabul weiter betrieben wird und "unsere Beziehungen im Vergleich zur Vergangenheit gestärkt werden", erklärte ein Sprecher der Taliban am Freitag auf Twitter. Die chinesische Regierung bestätigte die Aussagen. Die EU stellte den Taliban derweil Bedingungen für weitere Hilfszahlungen und diplomatische Kontakte. Die für Freitag erwartete Bekanntgabe einer Regierung für Afghanistan wird nun frühestens für Samstag erwartet.

China signalisiert den neuen Machthabern in Afghanistan als erste Großmacht Entgegenkommen. Peking werde seine Botschaft in Kabul weiter betreiben, teilte Taliban-Sprecher Suhail Schahin am Freitag auf Twitter mit, nachdem Abdul Salam Hanafi, Mitglied des politischen Büros der Taliban in Katars Hauptstadt Doha, offenbar mit dem chinesischen Vize-Außenminister Wu Jianghao telefoniert hatte. 

Die Volksrepublik wolle außerdem ihre humanitäre Hilfe für Afghanistan, insbesondere im Kampf gegen die Corona-Pandemie, "fortsetzen und verstärken", versicherte der Taliban-Sprecher. 

Außenamts-Sprecher Wang Wenbin bestätigte die Angaben. Neben dem Aufbau von "offenen und integrativen politischen Strukturen" und einer "gemäßigten und stabilen Innen- und Außenpolitik" hoffe China auf einen "klaren Bruch der Taliban mit allen terroristischen Gruppen", sagte er. 

China hatte den USA einen übereilten und schlecht geplanten Abzug aus Afghanistan vorgeworfen und sich zu "freundlichen und kooperativen" Beziehungen zu den Taliban bereit erklärt. Peking hat verschiedene Interessen in Afghanistan: Zum Einen will die Regierung vermeiden, dass die Islamisten Rebellen der muslimischen Minderheit der Uiguren dabei unterstützen, in der an Afghanistan grenzenden Region Xinjiang gegen die chinesische Führung aufzubegehren. 

Zum Anderen sieht Peking Experten zufolge in Afghanistan neue Möglichkeiten für Investitionen und die Sicherung wichtiger Rohstoffe wie Kupfer und Lithium. Die Taliban wiederum erhoffen sich von China wirtschaftliche Unterstützung, die von westlichen Ländern vorerst nicht zu erwarten ist.

Die EU stellte den Extremisten am Freitag Bedingungen für weitere Hilfszahlungen und diplomatische Kontakte. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte im slowenischen Kranj, die Außenminister der 27 Mitgliedsländer hätten sich im Grundsatz auf gemeinsame "Prüfsteine" für die erwartete Taliban-Regierung in Kabul geeinigt. Dazu zähle die freie Ausreise für europäische Staatsbürger und Afghanen sowie freier Zugang für humanitäre Helfer.

Als weitere Bedingungen nannte Borrell die Achtung von Frauenrechten und der Pressefreiheit, die Bildung einer "inklusiven und repräsentativen Regierung" sowie eine Zusage der Taliban, dass Afghanistan nicht erneut Zufluchtsort für Terroristen werden dürfe. Der EU-Außenbeauftragte betonte, die Kontakte zu den Taliban kämen aber nicht einer offiziellen "Anerkennung" gleich.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin äußerte sich zu möglichen Beziehungen mit den Islamisten: Er sprach sich für "zivilisierte Beziehungen" und "die Einhaltung zivilisierter Regeln" aus, damit diplomatische Beziehungen mit Kabul gepflegt werden könnten. Moskau ist vor allem besorgt über die Sicherheit der ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien, die an Afghanistan grenzen, steht aber seit Jahren mit den Taliban in Kontakt.

Unterdessen verschoben die Taliban ihre Regierungsbildung: Ein Taliban-Sprecher in Kabul sagte der Nachrichtenagentur AFP, die neue Regierung werde frühestens am Samstag vorgestellt. In Kabul gingen rund 30 Frauen auf die Straße, um für eine Beteiligung an der Regierung zu protestieren. Die Taliban-Führung hatte zuvor deutlich gemacht, dass es keine Frauen im Kabinett geben werde.

Die afghanische Fluggesellschaft Ariana kündigte derweil die Wiederaufnahme des ausgesetzten Inlandsflugverkehrs an. Die Vereinigten Arabischen Emirate erklärten am Freitag, dass sie ein Flugzeug mit "medizinischer Soforthilfe und Nahrungsmitteln" für "Tausende von Familien" in Afghanistan schicken würden. Zuvor hatten die Vereinten Nationen die Wiederaufnahme von humanitären Flüge in Teile des Landes verkündet. 

mkü/ju