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Der kulturpolitische Wochenreport

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, über die Geschichte der Kulturpolitik und die Vorteile eines Bundeskulturministeriums.

Mit mehr als zwei Milliarden Euro normalem Haushalt plus zwei Milliarden Sonderhilfen in der Pandemie (NEUSTART KULTUR) finanziert das Amt der Kulturstaatsministerin in einem Jahr die Kultur in Deutschland. Das Engagement des Bundes scheint so normal, dass man vergisst, dass es das in dieser Form erst seit etwas mehr als 20 Jahren besteht.

1998 hatte die erste rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder das Amt des Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) erfunden. Der Deutsche Kulturrat hatte damals im Wahlkampf unüberhörbar die Forderung nach einem Bundeskulturministerium und einem Kulturausschuss im Deutschen Bundestag gestellt, weil es auf der Bundesebene keinen funktionierenden Ort mehr für die Gestaltung von Kulturpolitik gab.

Der kleine Unterausschuss Kultur des Innenausschusses im Bundestag war auf Druck einiger Bundesländer aufgelöst worden. Sie sahen den Kulturföderalismus gefährdet. Im Innenministerium gab es damals zwar eine Kulturabteilung, sie war aber weitgehend zum Redenschreibbüro für Bundeskanzler Helmut Kohl mutiert.  

Gerhard Schröder hatte 1998 mutig den föderalen Knoten durchschlagen und den ersten Schritt zu einem Bundeskulturministerium gewagt. Das von ihm geschaffene BKM ist aber kein Ministerium. Die Beauftragte wird Kulturstaatsministerin genannt, weil Staatssekretäre im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt Staatsminister genannt werden. Die Kulturbehörde im Bundeskanzleramt ist eine Obere Bundesbehörde, die im Bundeskanzleramt angesiedelt ist.

Gerhard Schröder berief den Verleger Michael Naumann zum ersten Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien. Der Deutsche Bundestag richtete daraufhin als Kontrollorgan einen eigenständigen Ausschuss für Kultur und Medien ein. Michael Naumann zerrieb sich in seiner zweijährigen Amtszeit im Streit mit den Ländern. Er schrieb damals, dass der „barocke Begriff der Kulturhoheit“ im Grundgesetz nicht auftauche und deshalb nach seiner Ansicht zur „Verfassungsfolklore“ gehöre.

Die Länder schäumten und warfen ihm jeden auffindbaren Knüppel zwischen die Beine. Höhepunkt dieser Ausei­nandersetzung war eine zwischen Bund und Ländern vereinbarte detaillierte Liste über das Wenige, was der Bund fördern dürfe und das Viele, was nicht.  

Erst mit seinem Nachfolger Julian Nida-Rümelin entspannte sich das Verhältnis zwischen Bund und Ländern leicht. Auch die dritte von der SPD berufene Kulturstaatsministerin, Christina Weiss, kämpfte noch um jeden Millimeter Zuständigkeit. Mit der Übernahme der von den Ländern Berlin und Brandenburg getragenen Akademie der Künste in die Bundesverantwortung gelang ihr ein Durchbruch. Das Land Baden-Württemberg wollte damals gegen die Übernahme vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, verzichtete aber letztlich doch. Die Länder akzeptierten den Kompetenzzuwachs des Bundes.

Mit der Übernahme der Kanzlerschaft 2005 durch Angela Merkel stand die Zukunft der Bundeskulturpolitik auf der Kippe. Die Union hatte den Beauftragten für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt immer bekämpft, weil er nach ihrer Ansicht dem Föderalismusgebot des Grundgesetzes widersprach. Angela Merkel berief trotzdem Bernd Neumann in das Amt. Dies war nicht nur ein Wechsel der politischen Farbe im BKM, sondern das erste Mal wurde ein langjähriger Berufspolitiker und Mitglied des Deutschen Bundestages berufen.

Dem mit allen Wassern gewaschenen neuen Kulturstaatsminister gelang es, den Etat seines Hauses kontinuierlich zu steigern und seine Kompetenzen zu erweitern. Als mit Monika Grütters die zweite Kulturstaatsministerin der CDU berufen wurde, war endgültig klar, dass sich auch die Union mit der Existenz des BKM nicht nur abgefunden hat, sondern sichtbaren Gestaltungswillen entwickelt. Auch Monika Grütters konnte in ihrer Amtszeit ihren Etat durchgehend steigern und das Amt deutlich ausbauen.  

Jetzt platzt das BKM im Bundeskanzleramt förmlich aus allen Nähten. Die rund 300 Mitarbeiter des BKM plus weitere hunderte Mitarbeiter in den nachgeordneten Behörden, wie dem Bundesarchiv in Koblenz oder der Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin, lassen sich in der jetzigen Struktur nur schwer händeln. Außerdem sind wichtige Kulturbereiche, wie die Kulturwirtschaft und die kulturelle Bildung, über andere Ministerien verteilt, die eigentlich in die Hände der Kulturstaatsministerin gehören.

Deshalb fordert der Deutsche Kulturrat die Stärkung der Bundeskulturpolitik durch die Einrichtung eines Bundeskulturministeriums in der nächsten Legislaturperiode. Wir fordern, Kulturpolitik endlich in ihrer Verschränkung mit anderen Politikfeldern zu begreifen und dem durch die Einrichtung eines Bundesministeriums für Kultur und Medien sichtbar Rechnung zu tragen. Die Einrichtung eines solchen Ministeriums wäre die konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Struktur der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und würde die Bedeutung, welche die Kulturpolitik für das Zusammenleben in Deutschland, für die Künste, für die Entwicklung der Medienlandschaft und nicht zuletzt für das kulturelle Leben in Deutschland hat, unterstreichen.

Wir regen darüber hinaus an, in diesem Zusammenhang zu diskutieren, inwiefern die Bundeskulturpolitik im Inland und die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in einem Ministerium zusammengeführt werden können. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik muss sich nach unserer Ansicht stärker als Teil des Nord-Süd-Dialogs und der Friedenspolitik verstehen und mit der Kulturpolitik im Inland gerade mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele stärker verbinden.

Aber auch die kultur- und medienwirtschaftlichen Belange müssen in einem neuen Bundesministerium für Kultur und Medien zusammengeführt werden, damit diesem wichtigen Wirtschaftszweig die entsprechende Bedeutung verliehen wird.  

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich Anfang März auch für ein eigenständiges Kulturressort auf der Bundesebene ausgesprochen. „Die bundespolitische Bedeutung der Kultur ist gewachsen“, sagte die CDU-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“ nach sieben Jahren im Amt.

Mit ihrer Forderung ist Monika Grütters MdB nicht alleine. Immer mehr Politikerinnen und Politiker setzen sich für eine Stärkung der Bundeskulturpolitik durch die Einrichtung eines Bundeskulturministeriums in der nächsten Legislaturperiode ein. Robert Habeck hat sich als Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in „Politik & Kultur“, der Zeitung des Deutschen Kulturrates (Nr. 1/21 Seite 11) für die Einrichtung eines Bundeskulturministeriums nach der Bundestagswahl ausgesprochen. Simone Barrientos, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, und der kulturpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Hartmut Ebbing fordern ebenfalls ein Bundeskulturministerium in der nächsten Legislaturperiode (Politik & Kultur Nr. 3/21 Seite 4 + 5).“

Nur die SPD, die beherzt vor 23 Jahren die Bundeskulturpolitik neu erfand, scheint sich von ihren eigenen Forderungen zu verabschieden. Der Vorsitzende des Kulturforums der Sozialdemokratie, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, lehnt ein Bundeskulturministerium kategorisch ab. Dem Deutschlandfunk sagte er am 09. März außerdem: „Wir brauchen eine Verständigung darüber, wer eigentlich für was in der Kulturpolitik zuständig ist.“ Nach mehr als zwanzig Jahren erfolgreiche Bundeskulturpolitik möchte er offensichtlich wieder ins Jahr 1998 springen und noch einmal mit der Diskussion über Zuständigkeiten neu beginnen.

Was wir jetzt brauchen, sind keine Rückschritte, sondern einen mutigen Schritt nach vorne. Nach der Bundestagswahl im September wird die neue Bundesregierung hoffentlich ein eigenständiges Bundesministerium für Kultur und Medien einrichten. Die Zeit ist reif!

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

Foto: Deutscher Kulturrat