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Belastete Lebensmittel müssen schneller zurückgerufen werden

Kontrollbehörde stellte Wursthersteller Wilke noch im September ein positives Zeugnis aus - foodwatch fordert Aufklärung über Widersprüche nach Angaben von Hessens Verbraucherschutzministerin


Berlin -  Das Landratsamt Waldeck-Frankenberg hat dem Wursthersteller Wilke noch Anfang September ein positives Zeugnis ausgestellt und damit die weitere Produktion ermöglicht. Zu diesem Zeitpunkt war der Listerien-Verdacht bei den Behörden schon seit Wochen bekannt, zudem waren kurz zuvor erhebliche Hygienemängel in dem Betrieb beanstandet worden. Diese Abläufe gehen aus einer Auskunft des hessischen Umweltministeriums gegenüber der Verbraucherorganisation foodwatch sowie aus Angaben des Landkreises hervor.

Demnach wurde das Landratsamt als zuständige Kontrollbehörde bereits am 20. August 2019 über einen konkreten Listerien-Verdacht gegen das Unternehmen Wilke informiert. Dieses Datum nannte das hessische Umweltministerium gegenüber foodwatch. Bei einer Kontrolle in dem Unternehmen am 28. August stellte der Landkreis zunächst auch erhebliche Hygienemängel und eine "nachteilige Beeinflussung" von Lebensmitteln fest. Doch bei einer Nachkontrolle am 5. September bescheinigte der Landkreis dem Betrieb, den "Großteil der Mängel abgestellt" zu haben - die Produktion und Auslieferung von Waren liefen offenbar weiter. Diese Kontrollergebnisse des Landkreises gehen aus einer Meldung auf dem Behördenportal "Verbraucherfenster Hessen" hervor. Einen Monat später, am 2. Oktober, schloss der Landkreis die Produktion bei Wilke schließlich aufgrund der Listerien-Problematik. Mindestens drei Todesfälle und 37 Erkrankungen werden mit dem Fall in Verbindung gebracht.

"Anfang August Listerien-Verdacht, Ende August massive Hygienemängel, Anfang September wieder fast alles paletti und Anfang Oktober muss der Laden dann plötzlich geschlossen werden? Das passt nicht zusammen. Es muss aufgeklärt werden, wie gut die Kontrollen waren und wie sorgfältig das Landratsamt dem Listerien-Verdacht nachgegangen ist", erklärte Martin Rücker, Geschäftsführer von foodwatch. "Die hessischen Behörden schulden der Öffentlichkeit vollständige Transparenz über die Abläufe und die ergriffenen Maßnahmen."

Zuletzt hatte die hessische Verbraucherschutzministerin Priska Hinz der Nachrichtenagentur AFP zufolge angegeben, dass ab dem 20. September nur noch Produkte den Betrieb verlassen durften, die zuvor auf einen Listerien-Schwellenwert hin untersucht worden waren. "Wenn nur geprüfte Produkte das Werk verlassen haben - weshalb werden diese dann seit dem 2. Oktober mit großem Aufwand zurückgerufen? Das passt nicht zusammen", so foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Die Widersprüche müssten aufgeklärt werden.

Die Verbraucherorganisation wirft den zuständigen Behörden ein viel zu langsames Krisenmanagement und eine katastrophale Informationspolitik vor. Die Abläufe, soweit bisher bekannt:

- Am 12. August wird das hessische Verbraucherministerium vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) über Untersuchungen des Robert Koch-Instituts informiert, wonach Wilke-Wurstprodukte im Verdacht stehen, Listerien zu enthalten.
- Erst acht Tage später, am 20. August, leitet das Ministerium die Informationen über den Listerien-Verdacht an den Landkreis Waldeck-Frankenberg weiter.
- Wiederum acht Tage später, am 28. August, kontrolliert die vor Ort zuständige Landkreisbehörde die Wurstfabrik und stellt "nicht unerhebliche hygienische Mängel (Allgemein, Arbeitshygiene, Bauhygiene)" fest, die "eine nachteilige Beeinflussung der im Betrieb hergestellten, behandelten oder in Verkehr gebrachten Lebensmittel und Speisen darstellten", wie es in der im "Verbraucherfenster" veröffentlichten Meldung heißt. Von einer vorübergehenden oder teilweisen Stilllegung des Betriebs ist darin keine Rede.
- Am 5. September gibt es eine Nachkontrolle bei Wilke; laut Überwachungsbehörde ist "ein Großteil der Mängel abgestellt".
- Am 16. September wird der Verdacht auf Listerien bei Wilke bestätigt.
- Am 18. September informiert das hessische Verbraucherministerium das Regierungspräsidium Kassel darüber.
- Knapp einen Monat später, am 2. Oktober, wird der Betrieb geschlossen und alle Erzeugnisse werden zurückgerufen.

Die Meldung im staatlichen "Verbraucherfenster Hessen" ist am 16. September 2019 vom zuständigen Landratsamt Waldeck-Frankenberg eingestellt worden, da die am 28. August 2019 festgestellten Mängel die Kriterien des § 40 1a Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) erfüllt haben. Demnach müssen Behörden Verstöße gegen das Lebensmittelrecht unter Nennung des Unternehmens öffentlich machen, wenn ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist und es sich um einen "wiederholten" oder "nicht unerheblichen" Verstoß handelt.


Quellen und weiterführende Informationen: 


- Behördenmeldung zu Kontrollen bei Wilke am 28.08.2019 und 05.09.2019: www.t1p.de/wwvv
- "Wursthersteller Wilke: Hessisches Umweltministerium kannte Listerien-Verdacht seit 12. August" (foodwatch-Pressemitteilung, 7.10.2019): www.t1p.de/4n80
- "Offenbar mehr als 1.100 Produkte vom Wilke-Rückruf betroffen" (foodwatch-Pressemitteilung, 7.10.2019): www.t1p.de/7sgp
- "Ministerium rechtfertigt verzögerte Schließung bakterienbefallener Wurstfabrik" (AFP-Meldung, 9.10.2019): www.t1p.de/0z71

Foto: Pixabay