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Deutschlands Wirtschaft wächst nicht mehr

Deutschlands Wirtschaft stagniert im zweiten Quartal

Deutschlands Wirtschaft stagniert im zweiten Quartal

Die Frühjahrsbelebung ist in diesem Jahr ausgeblieben: Deutschlands Wirtschaft stagnierte im zweiten Quartal von April bis Juni, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Frankreich und Spanien dagegen verzeichneten solide Wachstumsraten von 0,5 beziehungsweise 0,4 Prozent. 

Das Statistische Bundesamt ѡ hob hervor, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ѡ von April bis Juni im Vergleich zum Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt nicht weiter gesunken sei. Im ersten Quartal von Januar bis März war die Wirtschaft in die Rezession gerutscht. Grund war vor allem die Konsumzurückhaltung aufgrund der hohen Inflation.

Im zweiten Quartal nun "haben sich die Konsumausgaben der privaten Haushalte nach dem schwachen Winterhalbjahr stabilisiert", wie die Statistiker erläuterten. Detaillierte Angaben veröffentlicht die Behörde am 25. August.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte auch eine leicht positive Tendenz bei den Investitionen. "Aber das reicht nicht, und das ist alles andere als zufriedenstellend", erklärte er. Belastend seien vor allem strukturelle Probleme, wie der Fachkräftemangel oder zu langatmige Genehmigungsverfahren, die das Land seit Jahrzehnten mit sich herumschleppe. Aber auch die bis zum letzten Jahr bestehende hohe Abhängigkeit von russischen Gas wirke weiter nach.

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (IHK), Martin Wansleben, erklärte, Grund für die Stagnation sei ein "ungesunder Cocktail aus hoher Inflation, steigenden Zinsen, Fachkräftemangel und Bürokratie gepaart mit einer lahmen Weltkonjunktur". Er lasse befürchten, dass die Konjunktur in Deutschland in den nächsten Monaten sogar rezessiv werde.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte am Dienstag seine Prognose für Deutschland für das Gesamtjahr abgesenkt und erwartet, dass die Wirtschaft hierzulande um 0,3 Prozent schrumpft. Für alle anderen G7-Staaten hob der IWF seine Prognose an.

Frankreichs Wirtschaft etwa wuchs um 0,5 Prozent im zweiten Quartal, Spaniens Wirtschaft um 0,4 Prozent. "Deutschland fällt im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn weiter zurück und entwickelt sich zunehmend zum Bremsklotz für die Eurozone", kommentierte IHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben. Auch im Nachbarland Österreich läuft es schlecht, dort schrumpfte das BIP im zweiten Quartal um 0,4 Prozent. 

In Deutschland muss die Politik nach Ansicht von Wansleben "schnell die dringlichsten Herausforderungen angehen", damit die Wirtschaft "wieder Tritt fassen kann". Dazu gehöre, das Energieangebot rasch auszuweiten. Es sei richtig, dass die Bundesregierung beim dringend notwendigen Ausbau der Stromnetze aufs Tempo drücke. Auch der Fachkräftemangel bereite den Unternehmen starke Probleme. Beim Dauerthema Bürokratie gebe es "viel Potenzial". Deutschland müsse "dringend agiler und innovativer werden". 

Habeck erklärte: "Was Deutschland jetzt braucht, sind zielgerichtete Impulse für Investitionen und Spielräume für unsere energieintensive Industrie." Er habe daher vor Monaten Vorschläge für einen Industriestrompreis vorgelegt. "Die Zeit drängt und wir müssen hier schnell zu Entscheidungen kommen." Es gehe um die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

Entscheidend seien auch "mehr zielgerichtete Investitionen in Zukunftstechnologien". Die USA "gehen mit massiv Geld rein und investieren". Deutschland dürfe sich hier nicht an den Spielfeldrand drängen lassen.

Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein, sieht als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Erholung eine weiter sinkende Inflationsrate. Mit der exportabhängigen deutschen Industrie gehe es zudem nur aufwärts, wenn sich das internationale Wirtschaftsumfeld entspanne, erklärte er. 

Analyst Carsten Brzeski mahnte, die Angaben des Statistischen Bundesamtes mit Vorsicht zu betrachten. Auch die Daten für das erste Quartal hätten die Statistiker merklich revidieren müssen - von 0,0 Prozent auf minus 0,3 Prozent. 

Die zum zweiten Quartal bereits veröffentlichten Kennzahlen verheißen demnach nichts Gutes. Brzeski zählte auf: schwache Kaufkraft, dünner werdende Auftragsbücher in der Industrie und die Folgen der starken Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank. Positive Überraschungen könnten aber eine erstarkende chinesische Wirtschaft bringen oder ein erstarkender Konsum in Deutschland.

ilo/pe

© Agence France-Presse