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IS - Anschlag in Afghanistan

Afghanistan kämpft derzeit mit wiedererstarkenden Aufständischen, politischem Stillstand, massiven Kürzungen an US-Hilfen, einem stockenden Friedensprozess und einer wachsenden Zahl an Coronavirus-Infektionen. Offiziell wurden rund 75 Infektionen und zwei Todesfälle bestätigt.


Bei einem mutmaßlichen Angriff der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) auf einen Tempel der Sikh- und Hindugemeinschaft in Kabul sind am Mittwoch mindestens 25 Zivilisten getötet worden. Acht weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Innenministerium in der afghanischen Hauptstadt mit. Ein Angreifer wurde demnach getötet, 80 Menschen konnten aus dem Tempel gerettet werden.

Mehrere Angreifer waren am Morgen in das Gotteshaus eingedrungen und hatten sich stundenlange Gefechte mit Sicherheitskräften geliefert, die versuchten, die Menschen im Tempel zu befreien. Ein Mitglied der Sikh-Gemeinde im afghanischen Parlament, Anarkali Kaur Honarjar, sagte, zum Zeitpunkt des Angriffs hätten sich rund 150 Menschen in dem Gebäude befunden.

Aus Sicherheitskreisen verlautete, es habe 24 Tote, 13 Verletzte und drei getötete Angreifer gegeben. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte später, die Mehrheit der Menschen im Tempel habe gerettet werden können.

Auf Bildern, die der Nachrichtenagentur AFP vorlagen, waren weinende Kinder zu sehen, die von bewaffneten Männern aus dem Tempel gebracht wurden. Zu sehen waren auch mehrere Leichen, Verletzte sowie Blutlachen. In Onlinenetzwerken kursierten Bilder von Menschen, die in Panik davonrannten. Offenbar handelte es sich dabei um Sikhs.

Der Gläubige Raju Singh Sonny sagte AFP, ein in eine Polizeiuniform gekleideter Mann mit Kalaschnikow sei während des Gebets in den Tempel gestürmt und habe zuerst auf den Wachschutz geschossen, anschließend auf ein kleines Kind. "Dann kamen weitere Angreifer ins Gebäude und schossen nach und nach auf die Menschen."

Zu dem Angriff bekannte sich nach Angaben der auf die Beobachtung islamistischer Netzwerke spezialisierten US-Gruppe SITE die Dschihadistenmiliz IS. SITE berief sich auf ein entsprechendes Bekenntnis beim IS-Propagandaorgan Amaq. Die radikalislamischen Taliban hatten eine Verantwortung für die Tat zuvor bereits zurückgewiesen.

Der IS hat in der Vergangenheit bereits wiederholt Anschläge auf religiöse Minderheiten in Afghanistan verübt, darunter auf die Sikh- und Hindugemeinde. Bei einem Selbstmordanschlag auf die religiöse Minderheit waren im Juli 2018 in Dschalalabad 19 Menschen getötet und 21 verletzt worden. In dem mehrheitlich muslimischen Afghanistan leben schätzungsweise rund tausend Sikhs und Hindus.

Der IS praktiziert eine radikale Auslegung des sunnitischen Islam. Die Dschihadistenmiliz ist seit 2015 in Afghanistan aktiv. In den vergangenen Monaten wurde die Gruppe durch die Bekämpfung durch afghanische und US-Truppen etwas geschwächt. Auch die Taliban gehen mit Offensiven gegen IS-Kämpfer vor. 

Dennoch ist die Dschihadistenmiliz weiterhin in der Lage, größere Anschläge in den urbanen Zentren zu begehen. Erst in diesem Monat waren bei einem IS-Anschlag auf eine politische Versammlung der mehrheitlich schiitischen Hasara-Minderheit in Kabul 32 Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden.

Afghanistan kämpft derzeit mit wiedererstarkenden Aufständischen, politischem Stillstand, massiven Kürzungen an US-Hilfen, einem stockenden Friedensprozess und einer wachsenden Zahl an Coronavirus-Infektionen. Offiziell wurden rund 75 Infektionen und zwei Todesfälle bestätigt. Es wird aber befürchtet, dass die Zahlen weitaus höher sind.

In dem verarmten Land wird nur wenig getestet, und "sozialer Abstand" ist für die bildungsferne Bevölkerung, die an große Zusammenkünfte in Moscheen und im Familienkreis gewöhnt ist, ein abstraktes Konzept. Hinzu kommt, dass in den vergangenen Wochen tausende Menschen von Pilgerreisen aus dem schwer von der Pandemie getroffenen Iran zurückgekehrt sind.

jep/ju

Emal HAIDARY / © Agence France-Presse