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Liz Truss in Not

Truss bezeichnet sich vor britischem Parlament als "Kämpferin"

Trotz massiven Drucks auch aus den eigenen Reihen und Buhrufen von der Opposition hat die britische Premierministerin Liz Truss am Mittwoch vor dem Parlament in London einen Rücktritt erneut abgelehnt. "Ich bin eine Kämpferin und keine Drückebergerin," sagte Truss auf die Frage des Parteichefs der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, warum sie überhaupt noch da sei. Es war die erste Fragestunde mit der Premierministerin im britischen Unterhaus nach ihrer demütigenden Kehrtwende bei den Steuerplänen in den vergangenen Tagen.

Truss sah sich zahlreichen Angriffen durch Starmer ausgesetzt: "Was nützt eine Premierministerin, deren Versprechen nicht einmal eine Woche halten?", fragte der Labour-Chef. Die Antwort der Tory-Chefin ging in Buhrufen der Opposition unter. "Ich bin eine, die bereit ist zu führen", sagte sie schließlich. "Ich bin bereit, die harten Entscheidungen zu treffen."

Truss ist erst seit Anfang September im Amt. Dennoch steht sie bereits massiv auch in ihrer eigenen konservativen Tory-Partei unter Druck. Ihr Steuersenkungspaket hatte wegen fehlender Gegenfinanzierung zu Turbulenzen an den Finanzmärkten und zu heftigem Unmut auch in den Reihen der Regierungspartei geführt.

Daraufhin ließ Truss zunächst ihren Vertrauten, den damaligen Finanzminister Kwasi Kwarteng, die geplante Steuersenkung für Spitzenverdiener zurücknehmen. Am Freitag entließ sie ihn dann. Der neue Finanzminister Jeremy Hunt kippte das geplante Finanzpaket dann am Montag fast vollständig.

Starmer warf Truss vor, "ein wirtschaftliches Experiment an der britischen Öffentlichkeit" vorgenommen zu haben. Gleichzeitig zog er ihre Stellung innerhalb der Regierung in Frage: "Wie kann sie zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie nicht das Sagen hat?", fragte er. 

Britische Medien hatten Hunts Vorgehen am Montag mit einem Staatsstreich verglichen. Umfragen sehen sowohl Truss' persönliche Beliebtheitswerte als auch die ihrer Partei im Keller. Auch die Mitglieder ihrer eigenen Partei, die sie vor weniger als zwei Monaten an die Spitze gewählt hatten, sind Umfragen zufolge mehrheitlich der Meinung, sie sollte gehen. Mindestens fünf konservative Abgeordnete forderten bereits ihren Rücktritt. 

Außenminister James Cleverly stellte sich am Mittwoch allerdings hinter die Regierungschefin. Er sei nicht sicher, ob der Rauswurf einer weiteren Premierministerin "die britische Bevölkerung davon überzeugt, dass wir an sie denken, oder die Märkte überzeugt, ruhig zu bleiben".

Nutznießer der aktuellen Krise ist die Labour-Partei, die in Umfragen einen riesigen Vorsprung vor den Tories hat. Neben dem Fiasko rund um Truss' Steuerpläne sorgen die stetig steigenden Lebenshaltungskosten für Missmut in der Bevölkerung.

Wie das Nationale Statistikamt am Mittwoch bekanntgab, stieg die Inflation in Großbritannien im September wieder auf über zehn Prozent. Wie in Deutschland werden auch die Menschen im Vereinigten Königreich vor allem von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen geplagt. 

Finanzminister Hunt versicherte, die Regierung werde die Hilfe für die verwundbarsten Menschen "zur Priorität machen" und zugleich für wirtschaftliche Stabilität und langfristiges Wachstum sorgen.

ma/noe


Anna MALPAS / © Agence France-Presse