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Kemmerich will bleiben

Thüringen-Debakel nimmt stetig größere Ausmaße an.


Thüringens neuer Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) wehrt sich gegen massiven Druck aus der eigenen Partei, die ihn zum Amtsverzicht bewegen will. "Ich will nicht zurücktreten", sagte der FDP-Politiker am Donnerstag dem Sender Phönix. Er habe den Auftrag erhalten, Thüringen zu regieren. Für ihn seien "Neuwahlen keine Option", weil dabei ein ähnlich schwieriges Ergebnis wie bei der letzten Wahl herauskommen würde.

Damit deutet sich ein Konflikt mit der FDP-Bundesspitze an: Diese strebt einen Rücktritt Kemmerichs an, der erst am Vortag mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden war. "Ich rechne damit, dass Thomas Kemmerich sein Amt zurückgibt in nicht allzu ferner Zukunft und dass es dann Neuwahlen gibt", sagte etwa der Vizefraktionschef der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, im Deutschlandfunk.

FDP-Bundeschef Christian Lindner reiste am Morgen nach Erfurt, um mit Kemmerich und den dortigen Liberalen über die Lage zu beraten. Parteichef Lindner habe klar gemacht, dass er eine "stillschweigende Koalition" von FDP, CDU und AfD in Thüringen nicht akzeptiere, sagte Lambsdorff. Durch Kemmerichs Wahl mit Stimmen der AfD sei "Schaden entstanden", sagte Lambsdorff. Die thüringische Landes-FDP habe "sich verführen lassen".

"Die FDP als Gesamtpartei schaut auf die Vorgänge in Thüringen und ist überwiegend genauso erschrocken wie große Teile der Bevölkerung", sagte Lambsdorff.

Der Abgeordnete kritisierte das Vorgehen der thüringischen FDP. "Es hätte diese Kandidatur nicht geben müssen", sagte er. "Es ist ungewöhnlich, dass eine Partei mit fünf Prozent den Ministerpräsidenten stellt." Er wies allerdings auch darauf hin, dass Landesverbände in solchen Fragen autonom seien und die Bundespartei kein Weisungsrecht in der Länder habe.

Offene Rücktrittsforderungen an Kemmerich kamen aus den FDP-Landesverbänden. Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Jochen Stamp (FDP) erklärte: "Ich fordere Thomas Kemmerich auf, mit einem Rücktritt den Weg zu Neuwahlen in Thüringen frei zu machen." Es dürfe "keine Zusammenarbeit jedweder Art mit der AfD geben". Ähnlich äußerte sich Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident Heiner Garg (FDP), der Kemmerich zum "sofortigen Rücktritt" aufforderte.

Im Erfurter Landtag hatte sich der FDP-Landeschef überraschend im dritten Wahlgang gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linken durchgesetzt. Unterstützt wurde Kemmerich von CDU und AfD. Er erhielt so bei der Abstimmung eine Stimme mehr als Ramelow. Kemmerich, der die kleinste Fraktion im Landtag vertritt, wurde sofort vereidigt. Ramelow hatte eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung bilden wollen.

pw/jp

© Agence France-Presse