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"Schlimmes Weihnachtsfest" droht

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hat mit drastischen Worten die aktuelle Corona-Lage in Deutschland eingeordnet und zugleich Kritik an der Politik geäußert.

"Es herrscht eine Notlage in unserem Land", sagte Wieler am Dienstagabend in einer Videokonferenz mit Mitgliedern der sächsischen Landesregierung. "Wer das nicht sieht, der macht einen sehr großen Fehler."

"Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern", sagte Wieler mit Blick auf die nächsten Wochen. Er wähle hier eine "sehr klare Sprache", räumte der RKI-Chef ein. "Aber ich kann nach 21 Monaten es auch schlichtweg nicht mehr ertragen, dass es vielleicht nicht erkannt wird, was ich unter anderem sage und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen."

Wieler machte deutlich, dass die derzeitige Entwicklung mit rasant steigenden Corona-Zahlen absehbar gewesen sei. "Es war klar, dass wir mit der Impfquote, die wir haben, so hohe Inzidenzen haben werden."

Von den Menschen, die sich momentan jeden Tag mit dem Coronavirus infizierten, würden im Schnitt etwa 400 sterben. Daran könne "keiner mehr was ändern", sagte Wieler. "Das Kind ist in den Brunnen gefallen." Zur Entwicklung der Neuinfektionen sagte Wieler. "Das ist exponentiell, das ist schlimm."

Der RKI-Chef betonte mehrmals die Notwendigkeit, die Impfquote zu erhöhen. "Wenn wir wieder zulassen, dass sich so wenige impfen lassen, dann werden wir im nächsten Winter ein ähnliches Problem haben." Es werde jetzt "jeder und jede" gebraucht, um zu impfen, beispielsweise auch Apothekerinnen und Apotheker.

Zugleich plädierte Wieler für weniger Rücksicht gegenüber Ungeimpften. "Wir dürfen denen, die sich nicht impfen lassen, nicht mehr die Chance geben, der Impfung zu entgehen", etwa durchs Freitesten, sagte er. "Ich bin der Ansicht, wir sollten mehr Rücksicht nehmen auf die Vernünftigen. Wie können den Nichtgeimpften nicht immer die Chance geben, dass sie mit Testung genau so ein Leben haben wie die Geimpften."

Außerdem habe die Bevölkerung zu viele Kontakte, sagte Wieler, "weil ja kontaktbeschränkende Maßnahmen nicht mehr stattfinden". Dabei hätten diese zu Beginn der Pandemie sehr gut gewirkt. Clubs und Bars bezeichnete Wieler als Corona-Hotspots. "Aus meiner Sicht müssen die geschlossen werden."

Wieler beschrieb auch die Auswirkungen der steigenden Infektions- und Hospitalisierungszahlen auf das Gesundheitssystem. "In jeder Region Deutschlands" sei mittlerweile die normale Versorgung nicht mehr gesichert. Schlaganfallpatienten beispielsweise würden zum Teil ein bis zwei Stunden im Rettungswagen herumgefahren, bis sie in einer Klinik aufgenommen werden könnten.

Der RKI-Chef verwies außerdem mehrfach auf die von seiner Behörde vorgelegten Konzepte zur Eindämmung der Pandemie, insbesondere den detaillierten Stufenplan "Control Covid". Er wäre "einfach glücklich", wenn dieser Plan in Deutschland einheitlich angewendet würde, sagte Wieler. Dadurch könnten auch die Bürgerinnen und Bürger mehr Vertrauen in die Pandemie-Politik fassen.

cne/jp