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Stolz und Vorurteil

In diesem Fall geht es nicht um das Drama von Jane Austen, sondern um die Tätowierung. Diese erfüllt ihre Träger mit Stolz und hat doch mit Vorurteilen zu kämpfen.


Die Tätowierung hat in ihrer Historie einen sehr weiten und langen Weg hinter sich. Praktiziert wurde die, für ewig auf der Haut bleibende Körperkunst schon mehrere Tausende Jahre vor Jesus Christus. Selbst der Mann aus dem ewigen Eis, Ötzi, besaß laut Forschung 61 Körpermalereien. Die Lebzeit Ötzis wird von Forschern auf 5300 Jahre v. Chr. datiert, dementsprechend handelt es sich bei der Tätowier - Praxis um ein kulturelles Erbgut. 

James Cook, der britische Seefahrer, der im 18. Jahrhundert u.a. den Südpazifik erkundete – brachte die Körperkunst von Französisch Polynesien mit nach Europa, wo sie über die Jahrhunderte und Jahrzehnte bis heute verfeinert und kulturell eingegliedert wurde.

Frühgeschichtlich kann man sagen, dass Symbole und Zeichen auf der Haut eher mit einem kulturellen und spirituellen Hintergrund in Verbindung gebracht werden. Familienangehörige trugen ganze Geschichten ihrer Vorfahren auf der Haut oder gaben der besonderen Verehrung eines Gottes oder mehrerer Götter Ausdruck. In jüngster Vergangenheit, aber auch bereits viele Jahrhunderte zuvor, wurden Sklaven tätowiert, um dem Besitzer einen Überblick über ihre Anzahl zu verschaffen. Bei jeglicher Form der Unterdrückung wie auch des Menschenhandels waren Verstümmelungen (im Sinne von Brandmarkungen oder Tätowierungen) üblich. 

Eines der wohl kategorischsten und ungerechtfertigten Vorurteile ist wohl das des „Verbrechers“ oder der „Verbrecherin“. Tätowierte Menschen sind keinesfalls Schmarotzer oder Gesetzlose. Ebenfalls hat es - auch nicht indirekt - zu bedeuten, dass sie einer Sekte oder einer Gang angehören. Tätowierungen verleihen ihrem Träger oder ihrer Trägerin einen individuellen Wiedererkennungswert.

Selbstverständlich gibt es auch Szenen und Hartgesottene, die sich ihren Körper von Kopf bis Fuß tätowieren, während andere „nur“ einen Stern hinter dem Ohr oder ein Blumenmuster auf dem Arm besitzen. Jedoch haben sie alle eines gemeinsam – Stolz und Leidenschaft.

Sowohl der Träger, wie auch der Künstler/Tätowierer sind mit Stolz erfüllt, wenn das Motiv so auf der Haut verewigt ist, wie es gewünscht wurde.  Das Wort „Leidenschaft“ ist an dieser Stelle wohl zutreffend, da ein Tattoo ohne jeden Zweifel mit, ja, Schmerz verbunden ist. Schließlich wird die Farbe in die zweite Hautschicht gestochen, was durchaus mit Risiken verbunden ist.

Ebenfalls sollte ein Motiv und die gewählte Hautpartie sehr gut überlegt sein, denn einmal gestochen, bleibt das Motiv für lange Zeit. Dank neuer Technologien kann auch ein Tattoo wieder entfernt werden, doch ist das ein weiterer Leidensweg, dem man mit etwas Überlegung leicht aus dem Weg gehen kann. Man sollte nicht jeden Trend mitnehmen und sich auch nicht unbedingt nach bereits einem Jahr den Namen der „großen“ Liebe auf den Arm tätowieren, dann ist einem schon halb geholfen.Ob minimalistisch, geometrisch, größenwahnsinnig oder bunt – jede Tätowierung erzählt eine Geschichte und sei sie noch so kurz – „Ich hatte richtig Bock drauf“ darf ebenso der Grund sein, wie eine mitgebrachte Lotusblume aus dem Urlaub.

Denn die Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters und schlussendlich passt jedes Tattoo zu seinem Träger, denn: du bist was du trägst!

In diesem Fall machen Tattoos Leute. Darüber hinaus ist es auch schwer, sich vorzustellen, wie tätowierte Personen – eine Freundin oder ein Bekannter ohne ihre Bilder oder Schriftzüge auf der Haut noch aussehen könnten.

Also stehen die Gefühle Stolz und Vorurteil wohl sehr nah beieinander. Wie auch die Prozedur der Leidenschaft, bis Leiden geschafft hat und sich lohnte. 


Außer Hakenkreuze. Die mag nämlich Keiner.


Artikel: Swantje Heegardt

Bilder: Balaklava Tattoo, Tobias Kirchhof, Hansaring 67, 48155 Münster

 https://instagram.com/balaklava_tattoo?igshid=1pxp35gf16vz4 , https://instagram.com/talis_tattoo?igshid=17sf61fhkzkvv