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Höchststrafe für Mord an Lübcke

Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Haftverbüßung behielten die Richter für den 47-Jährigen vor.

Gut eineinhalb Jahre nach dem rechtsextremen Mord an am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat das Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main den Täter zur höchstmöglichen Strafe verurteilt. Der Staatsschutzsenat des Gerichts verhängte am Donnerstag lebenslange Haft gegen den Angeklagten Stephan E. und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Haftverbüßung behielten die Richter für den 47-Jährigen vor.

Den Mitangeklagten Markus H. verurteilten die Richter zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. Vom Anklagevorwurf der psychischen Beihilfe zum Mord an den wegen öffentlicher Äußerungen im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 in rechten Kreisen angefeindeten Lübcke sprachen die Richter den 44-Jährigen hingegen frei.

Der Senat folgte in seiner Urteilsbegründung den Angaben E.s aus seinem ersten Geständnis vom Juni 2019. Auf dieser Einlassung basierte auch in großen Teilen die Anklage der Bundesanwaltschaft. Die Angaben seien glaubhaft, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel. E. habe das Geständnis auf eigenen Wunsch und ohne anwaltliche Begleitung abgelegt.

Die Angaben seien "detailreich, lebhaft und in sich stimmig". Lediglich seine Verneinung, Lübcke nach dem Schuss berührt zu haben, sei ein Widerspruch. Es sei durchaus möglich, dass er das bei seiner Vernehmung schlicht vergessen habe, sagte Sagebiel. E. war durch eine DNA-Spur an Lübckes Hemd erst in den Fokus der Ermittler gerückt.

Bei der Urteilsverkündung wandte sich Sagebiel direkt an die Familie des Ermordeten, die an dem Verfahren als Nebenkläger teilnahm. "Wir wissen, dass wir Ihren Verlust kaum ermessen können und das Verfahren für Sie sehr schmerzhaft war." Das Gericht habe zugleich einen fairen Prozess zu führen gehabt. Darum habe es sich "bemüht".

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. Die Bundesanwaltschaft warf E. in ihrer Anklageschrift vor, ihn aus politischen Motiven erschossen haben. Mit ihrem Urteil für E. entsprachen die Richter mit Blick auf die Ermordung Lübckes der Forderung der Bundesanwaltschaft. Diese hatte die Forderung nach einer Sicherungsverwahrung mit einer Gefahr für die Allgemeinheit begründet. 

Zugleich sprach das Frankfurter OLG den 47-Jährigen in seinem Urteil vom Donnerstag vom Vorwurf des versuchten Mordes an einem irakischen Asylbewerber im Januar 2016 frei, der ebenfalls Teil der Anklage war. E. bestritt, für diesen Messerangriff verantwortlich zu sein. 

Der Senat gelangte nach Angaben Sagebiels nicht zu der Auffassung, dass E. die Tat beging. Die Einlassung E.s, nichts mit der Tat zu tun haben, habe nicht widerlegt werden können. Der einzige Tatzeuge sei das Opfer, das jedoch keine taugliche Beschreibung des Täters habe abgeben können.

Das etwa halbjährige Verfahren war unter anderem geprägt durch zahlreiche Befangenheitsanträge seitens der Verteidigung. Eine wesentliche Rolle spielten auch widersprüchliche und wechselnde Aussagen des Hauptangeklagten. Zwei Geständnisse zog er zurück. In seiner letzten Einlassung vom August gab er den tödlichen Schuss auf Lübcke erneut zu. Zugleich sagte er aus, dass sein Mitangeklagter H. am Tatort gewesen sei. Dieser bestritt das.

Bereits im Oktober hatte das Gericht den mitangeklagten H. aus der Untersuchungshaft entlassen, weil es eine Beihilfe zum Mord aus Mangel an Beweisen nicht als erwiesen ansahen. Seitdem musste H. sich nur wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Er besaß nach Ansicht des Senats eine Dekowaffe, deren Griffstück nicht ausreichend unbrauchbar gemacht wurde. Die Anklage sah den Vorwurf der Beihilfe zum Mord bei ihrem Plädoyer weiter als erwiesen an und forderte neun Jahre und acht Monate Haft.

ald/cfm


Annalena DÖRNER / © Agence France-Presse