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Deutsch-Französischer Tag 2021

Die Rede von Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates (französiche Fassung siehe oben)

Sehr geehrte Damen und Herren,  

aus Feinden sollten Freunde werden - das war das Ziel des Élysée-Vertrags von 1963. Keine Selbstverständlichkeit 18 Jahre nach dem 2. Weltkriegs. Am 22. Januar 1963, heute vor 58 Jahren unterzeichneten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast eine "Gemeinsame Erklärung" und den "Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit" – kurz Élysée-Vertrag.

Dieser deutsch-französische Freundschaftsvertrag markiert einen tiefgreifenden Einschnitt in den deutsch-französischen Beziehungen. Aus "Erbfeinden" wurden Freunde. Die deutsch-französische Geschichte war über Jahrhunderte eine Geschichte der kriegerischen Auseinandersetzungen. Die napoleonischen Kriege, der deutsch-französische Krieg 1871, der 1. und der 2. Weltkrieg; sie waren auch Kriege, in denen es um die Vormachtstellung in Europa ging. Der Élysée-Vertrag, die Aussöhnung mit Frankreich und die sich daraus entwickelnde tiefe Freundschaft waren ein zentraler Schritt Deutschlands nach Westen und die Grundvoraussetzung für das später kommende europäische Haus.

Heute ist die deutsch-französische Freundschaft eine Selbstverständlichkeit. Die beiden Partner können zufrieden auf fast sechzig gemeinsame Jahre zurückblicken. Vieles wurde erreicht an gemeinsamen Institutionen, an gemeinsamen Vereinbarungen, an routinierten Treffen und heute erscheint es geradezu absurd, dass Franzosen und Deutsche sich feindlich gegenüberstanden.

Trotzdem ist es gut auch einmal kurz zurückzudenken. Als ich mit fünfzehn Jahren Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts gemeinsam mit einem Freund zwei Wochen durch Frankreich getrampt bin, war das nicht nur mein erstes großes Reiseabenteuer, sondern auch eine bis heute in mir nachwirkende lebendige Geschichtsstunde. Deutlich war damals zu spüren, dass die tiefen Wunden des Krieges noch nicht verheilt waren. Uns wurde während dieser Reise nicht nur einmal bedeutet, dass wir herzlich willkommen sind, aber nur weil wir so jung waren. Wer konnte das unseren Gastgebern, die den Zweiten Weltkrieg noch in schmerzlicher Erinnerung hatten, verdenken?

Heute wird der Deutsch-Französische Tag begannen. Dieser Tag geht leider etwas unter im Corona-Krisen-Chaos. Aber für mich ist dieser Tag keine Selbstverständlichkeit. Ohne die Freundschaft mit Frankreich, ohne den Élysée-Vertrag würde es die Europäische Union nicht geben.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates