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Stöbern in sieben Goldenen Büchern

Ein Stück Zeitgeschichte: Das Stadtarchiv Münster stellt Archivalien digital bereit. Die Liste der prominenten Einträge beginnt 1907.

Münster (SMS) - Zuletzt wurde das Goldene Buch zum Friedensjubiläum 1998 ausgestellt - die kostbare Tradition hinter schützendem Panzerglas. Überhaupt haben nur die wenigsten Gelegenheit, den besonderen Band aus der Nähe zu betrachten oder sich gar durch die Seiten aus schwerem Büttenpapier zu blättern.

Das jedoch ist ab sofort möglich, wenn auch in virtueller Form: Das Stadtarchiv hat alle sieben Goldenen Bücher von der ersten bis letzten Seite digitalisiert und online gestellt. „Von 1907 bis September 2020 führen wir durch die illustre Schar der Staatsoberhäupter und anderer prominenter Gäste, die sich bei Friedenssaal-Empfängen in dem Band eintragen durften“, stellt Anja Gussek den neuen Online-Service des Stadtarchivs vor.

Showgröße Thomas Gottschalk im Februar 1999 mit Oberbürgermeisterin Marion Tüns. Foto: Stadt Münster / Sammlung Stadtarchiv.

Die Liste der prominenten Einträge ist lang und wer eines der Bücher aufschlägt, durchwandert ein Stück Zeitgeschichte. Willy Brandt, Helmut Schmidt und Angela Merkel hinterließen ihre Grüße. Die unverwüstliche Queen „Mum“ trug sich ein, Literaturnobelpreisträger T.S. Eliot, der Dalai Lama oder auch Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik. Prominente Namenszeichen auch von Größen aus Sport und Show: Fußballweltmeister Paul Breitner, Boxchampion Vitali Klitschko, Thomas Gottschalk nahmen die Feder im Friedenssaal in die Hand.       

Viele gekrönte Häupter geben sich im Goldenen Buch die Ehre: 1984 auch Queen „Mum", die Mutter von Königin Elizabeth II., im Beisein von OB Pierchalla.  Foto: Stadt Münster / Sammlung Stadtarchiv.

Nahezu komplett hat das Stadtarchiv zu jedem Goldenen Buch die Einträge erfasst. Der direkte Zugang zu den Büchern, zu Informationen und ausgewählten Fotos führt über die Homepage des Stadtarchivs (www.stadt-muenster.de/archiv). Eine kleine digitale Ausstellung erzählt dazu die  Geschichte des Goldenen Buches, das auf den Besuch des letzten deutschen Kaisers zurückgeht.

Am 29. August 1907 säumten jubelnde Menschen den Weg des Monarchen durch die festlich geschmückte Stadt. Im Friedenssaal lag das opulente Unikat bereit -  es war die Stiftungsidee eines wohlhabenden Münsteraners. Der Kaiser zeichnete schlicht mit "Wilhelm I. R." auf einem ansonsten leeren Blatt. Seit Beginn dieser Tradition gestalten die Werkstätten des Juwelierhauses J.C. Osthues die kunstvollen Einbände. 

Helle und dunkle Kapitel                                                              

Die letzte Seite des Premierenbandes wird 1959 aufgeschlagen. Fünf Dekaden also versammelt dieses eine Buch und führt vom Kaiserreich über das Hitler-Regime bis in die Anfänge der jungen Bundesrepublik. Zwischen 1933 und 1943 - dem letzten Eintrag in der NS-Zeit - besuchten hochrangige Politgrößen wie weniger bekannte Funktionäre der NSDAP die Stadt. Auch ihre heute vielleicht eher als unliebsam empfundenen Unterschriften dokumentieren die Geschichte der Stadt mit dunklen und hellen Kapiteln.

In der Folgezeit spiegeln sich Höhepunkte der Stadtgeschichte, das 1200-jährige Stadtjubiläum 1993 etwa oder - fünf Jahre später - der 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens, als 20 europäischen Majestäten und Staatspräsidenten der Einladung nach Münster folgten.

„`Archivalien digital` heißt unsere neue Reihe, mit der wir spannende und häufig nachgefragte Quellen zur Stadtgeschichte im Internet präsentieren werden“, erläutert Stadtarchivleiter Dr. Peter Worm. „Die Goldenen Bücher sind der erste Schritt.“ Auch während des Corona-Lockdowns können so an Münsters Geschichte Interessierte originales Archivgut vom PC zuhause ansehen und benutzen. Peter Worm: „Dieser Service erlaubt es, die Nase in die Originale zu stecken, Archivluft zu schnuppern und einfach mal ungestört zu blättern.“ Vorerst bis zum 10. Januar 2021 ist aufgrund der Pandemie der Lesesaal geschlossen.

Quelle: Stadt Münster

Bannerfoto: Amt für Kommunikation, Stadt Münster. Zwei, die sich gut verstehen: Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, und OB Dr. Tillmann, im September 2007.