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Die Tür

Täglich durchschreiten wir sie. Egal ob elektronisch nach rechts und links oder analog nach außen oder innen, die Tür ist mehr als nur ein Raumteiler. Sie ist eine typische Reminiszenz an ihre Entstehungszeit und Synonym für Privatsphäre. Und doch so viel mehr.

Wer kennt das nicht, der Alltag ist vollbracht. Jetzt nur noch die Tür hinter sich zuschmeißen und die Füße hochlegen. Die Tür trennt das, was von einem erwartet wird zu sein in das, was man ungerne mit anderen teilen möchte. Sie ist das Symbol für Geheimnis. Vielleicht steht die Tür sogar am Anfang von Neid, denn auch gegen jenen schützt sie. Egal, was man zählt, küsst, ans Herz drückt oder die Emotionen bewegt, ist zwischen sich und der Außenwelt eine Tür, bleibt (für gewöhnlich) hinter der aus billigem oder Massivholz, Stahl oder Glas gefertigten beweglichen Wandstück etwas, das nicht Teil des Allgemeinwissens sein soll, obwohl es den Wert an sich erst über die Reflexion mit anderem erhellt.

Und dieses Geheimnisvolle wurde in der Geschichte nicht nur kultiviert, sondern auch glorifiziert. Egal ob „Alice im Wunderland“, „Matrix“ oder „the truman show“ im Film, Kafkas „Das Schloss“ oder  „der Prozess“ in Buchgeschichten oder Jim Morrison und Band als „The doors“ (of perception)in der Musik. Türen spielen seit langem mit der Bedeutungsaufladung des Unbekannten hinter ihr. Aus dem Ungewissen wird das Fantastische, das Unglaubliche, Das ultimativ Böse oder Gute. Vor der Tür ist man im Jetzt, in der Realität, aber dahinter, vielleicht nur ein oder zwei Schritte vor einem, befindet sich eine neue Welt, die potentiell alles bedeuten kann.

Das Gefühl der Ungewissheit wird instrumentalisiert. Wie viele Kinder haben schon auf dem Boden vor der Wohnzimmertür gelegen und im Schattenspiel des Türspalts die Handlungen des Weihnachtsmannes zu entschlüsseln versucht. Wie viele hingen mit großen Ohren an Klassentüren, während hinter ihnen all die Schandtaten und Schwächen des Lauschers zwischen Eltern und Lehrkräften disputiert wurden. Eine Tür bedeutet auch Hilflosigkeit. Was hinter der Tür passiert ist völlig unabhängig von dem davor. Hier gelten bekannte Gesetze. Dahinter kann alles passieren und mit dieser Symbolträchtigkeit spielt jede Tür, die uns begegnet, selbst der vor dem Leergutautomaten.

Trinken ist etwas Notwendiges, das wir uns nicht aussuchen, sondern notwendig vollführen müssen, ähnlich wie die Folge der Entleerung. Dass man trinkt und vor allem was, zeigt sich in den Behältnissen, die seit einigen Jahren in anonyme Automaten geschoben werden. Aber ob man drei Wasser und eine Cola oder gar sechs Bier getrunken hat, das soll keiner wissen, weshalb nicht die Person unkenntlich gemacht wird, sondern nur das, was dieser Protagonist verzehrt hat.

Ironischerweise suggeriert die Tür somit zweierlei: auf der einen Seite Unbekanntes und auf einer anderen Ungenanntes. Außerdem birgt es Chancen und Gefahren. Ob sich hinter der Tür ein Gerichtssaal oder ein Schlafzimmer befindet, bleibt solange ein Geheimnis, bis man sie öffnet. Die Tür wird somit zum Schutzraum, alles, was sich hinter Türen abspielt, wird selten eins zu eins Teil der Realität. Meist wird die Handlung oder das Geschehen hinter verschlossenen Türen paraphrasiert. Man erzählt sich in Schriften oder „face to face“, was dahinter vor sich ging. Denn es gibt immer jemanden,  der dem Geheimnis hinter der Tür nicht beiwohnen durfte oder konnte.

Vielleicht ist somit die Tür das ultimative Symbol des letzten Puzzle-Teilchens, ohne dass das Ganze nie vollständig wird. Die Tür erinnert uns bei jeder Begegnung daran, dass wir vielleicht viel, aber nie alles wissen. Die Tür hat somit das Potential, pars pro toto für Demut zu werden. Bedenke Deiner Nichtigkeit. Auch beim Adventskalender. Jedes Kind glaubt zu wissen, dass sich hinter jedem Türchen ein Schokoladenplättchen in Weihnachtssymbolik verbirgt, aber wissen tut man es erst, wenn man es öffnet, und ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, hin und wieder hat meine Mama etwas Unverhofftes dahinter versteckt, das zwar nicht die ganze Welt veränderte, aber meine Einstellung zum kommenden Tag signifikant veränderte.  Vielleicht war das ja nicht das einzig Schöne heute.

Und für alle, die unentwegt an das Schlafzimmer denken: Ist es nicht schön, dass nicht nur so mancher schöne Moment im Schutze einer geschlossenen Tür verborgen blieb?  

Bis morgen,  

Text: adolf.muenstermann@gmail.com

Bild: Pixabay