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Kreide-Protest gegen Sexismus und Rassismus

Nachdem Augsburger Passant:innen sich über einen Kreideschriftzug von Aktivist:innen des Instagram-Accounts „catcallsofaugsburg“ beschwerten, rückten Polizei und Feuerwehr an, um diesen zu entfernen

Augsburg, 14. Dezember 2020 – Am Nachmittag des 7. Dezembers schrieb eine Aktivistin von „catcallsofaugsburg“ eine rassistische sowie sexuelle Belästigung am Rathausplatz mit Straßenkreide auf den Boden. Dort hatte sich der Vorfall ereignet.


Kurz darauf rückten drei Streifenwagen der Polizei sowie ein Löschfahrzeug der Feuerwehr an. Mindestens fünf Feuerwehrbeamt:innen sowie vier Polizist:innen waren im Einsatz und spritzten Löschwasser über den Kreideschriftzug. „catcallsofaugsburg“ kritisiert den Einsatz aus mehreren Gründen.

„catcallsofaugsburg“ kämpft mit Kreide gegen Catcalling                                                                                                 Verbale sexuelle Belästigung, auch Catcalling genannt, ist in vielen deutschen Städten ein alltägliches Problem – auch in Augsburg. „catcallsofaugsburg“, das der internationalen NGO Chalk Back angehört, setzt sich dagegen ein, indem Aktivist:innen diese Vorfälle mit Straßenkreide dort auf den Boden schreiben, wo sie sich ereignet haben. So soll alltägliche sexuelle Belästigung sichtbar gemacht werden für Menschen, die davon nicht betroffen sind. Betroffenen von Catcalling soll durch die Protestaktionen Gehör verschafft werden. „catcallsof“-Accounts, die es in mittlerweile 59 Städten in Deutschland gibt, sind für viele Betroffene die erste Anlaufstelle.

Nicht die Kreide ist das Problem, sondern die Belästigung                                                                                                Gegen diese sexuelle und wie im Augsburger Beispiel auch rassistische Belästigung wird kaum etwas unternommen, da Catcalling in Deutschland noch nicht strafbar ist. Auch Anzeigen wegen körperlicher sexueller Belästigung werden oftmals nicht weiterverfolgt. Die Beschwerden von Passant:innen in Augsburg, die sich durch den Kreideschriftzug belästigt fühlten, wurden hingegen so ernst genommen, dass sofort ein Einsatz von Polizei und Feuerwehr ausgelöst wurde. Chalk Back kritisiert, dass das Ankreiden einer Belästigung von der Polizei stärker verfolgt wird als die Belästigungen selbst. Dabei möchte die Organisation auch auf die Unverhältnismäßigkeit der Mittel hinweisen, die hierfür aufgewendet wurden.

Augsburg ist kein Einzelfall                                                                                                                                                            Der Fall in Augsburg mag der auffälligste und überzogenste sein, aber Chalk-Back-Aktivist:innen werden deutschlandweit durch Polizei und Ordnungsämter in ihrer Arbeit gegen sexuelle Belästigung behindert und ausgebremst. Viele Städte brauchen eine Genehmigung für jede einzelne Ankreidung. Die Aktivist:innen von „catcallsofmannheim“ sind sogar gezwungen, ihre Ankreidung innerhalb von 24 Stunden selbstständig wieder zu entfernen. Derart unverhältnismäßige Reaktionen und Vorgaben gibt es nicht nur in Deutschland. In New York City beispielsweise wurde eine Aktivistin von „catcallsofnyc“ beim Kreiden festgenommen. Diese Maßnahmen gegen das Sichtbarmachen von sexueller Belästigung decken massive, grundlegende Probleme auf. Sie zeigen, dass gesamtgesellschaftlich, politisch und institutionell akuter Handlungsbedarf besteht.

„catcallsofaugsburg“ fordert Unterstützung von Politik und Gesellschaft                                                                              Die Aktivist:innen von „catcallsofaugsburg“ hoffen, dass der Einsatz in Augsburg gesellschaftliche Diskussionen zum Thema sexuelle und rassistische Belästigung ermöglichen wird. Gemeinsam mit den anderen deutschen und auch internationalen Chalk-Back-Accounts fordern sie, dass ihre Protestaktionen nicht weiter durch Polizei und Ordnungsämter behindert werden. Stattdessen wünschen sie sich ein gemeinsames Vorgehen gegen sexuelle sowie rassistische Belästigung im öffentlichen Raum. Die Stadt Augsburg und die Oberbürgermeisterin Eva Weber fordern sie auf, konkrete Maßnahmen gegen sexuelle und rassistische Belästigung zu ergreifen sowie Sensibilität für die Problematik zu schaffen.

Unterstützt werden die Aktivist:innen von „catcallsofaugsburg“ von der Black Community Foundation Augsburg, dem CSD Augsburg, dem Frauen*streik Augsburg, dem Klimacamp Augsburg, OpenAfroAux sowie pia profamilia Augsburg.  

Über Chalk Back

 

Chalk Back ist eine Non-Profit-Organisation, die aus einer Grassroots-Bewegung in New York City entstand. Weltweit setzen sich Mitglieder der Organisation gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum ein, indem sie Vorfälle sichtbar machen. Dazu kreiden sie verbale sowie körperliche sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit wortwörtlich an: Wort für Wort werden Vorfälle dort aufgeschrieben, wo sie erlebt wurden. Bilder davon sowie die Geschichten, die dahinterstecken, werden auf Instagram unter dem Hashtag #stopstreetharassment geteilt.

 

Chalk Back:

http://www.chalkback.org/