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Die Kraft der Tränen

Für die meisten Menschen sind andere, die weinen, „Heulsusen“ oder gar Schwächlinge, dabei können Tränen so viel mehr als Synonym einer emotionalen Ohnmacht sein.

Der Mensch ist angefüllt mit Emotionen. Gefühle überschwänglichen Glücks und unerträglicher Trauer reihen sich in die Vita eines jeden Individuums (nicht nur der Menschen) wie Perlen an einer Kette.

Homer sprach vom Grundprinzip aller Tragödien, wenn er das Spiel von Liebe und Tod anführte. Was wäre die Liebe ohne die Trauer, was wäre das Glück ohne den Misserfolg? Interessanterweise ist die Reminiszenz negativer Emotionen aber nicht nur diesem Zustand, sondern auch seinem Pendant immanent. Tränen der Rührung, Wasserfall des Biotops „Gesicht“, Entität unbegreiflicher nicht dingbar machender innerer Kräfte, die sich gewaltsam den Weg ins Freie bahnen, als Ventil für das Unaussprechliche.

Als Siegfried, erdolcht von Hagen vor der Türe seiner Angebeteten aufgebahrt wird, vergießt die Dame seines Herzens, Krimhild, sogar blutige Tränen.

Was, wenn man dem Internet Glauben schenkt, ebenfalls kein singuläres Phänomen ist.

Aber in diesem Fall sind sie beinahe beides. Ausdruck der verletzten Seele, Partner der Einsamkeit. Freund in Zeiten, wo man kein Worte findet und gleichzeitig Anzeichen innerer Kraft, denn die Tränen der Krimhild sind weit mehr als das, sie sind Anzeichen des Vulkans innerer Kräfte, die sich zu mobilisieren beginnen um in einem sowohl historisch als auch poetischen Exempel der Rache anzudeuten, dass der Tod des Siegfried den Untergang der Burgunden in einem nie dagewesenen Blutbad mündet.

Aristoteles analogisiert blutige Tränen erstmalig mit einem „Über-sich-hinaus-wachsen" des Reiers, der sich im brutalen Racheakt am unbezwingar scheinenden Adler, wenn dieser seine Brut getötet hat, Bahn schlägt.

Wer weint ist folglich nicht schwach, sondern am Beginn sich potenzierender Kräfte, die man kaum erahnen kann. Das Natriumchlorid auf geröteten Wangen wird zum Symbol des Lebendigen. Wer weint will leben und wer leben will, der muss es bereits praktizieren.

Kein Pokerface hat die Kraft von Tränen und kein Geld der Welt kann Freudentränen ersetzen. Wäre ich Chef, ich würde nicht fragen, „was haben sie früher gemacht“, sondern, wann haben sie das letzte Mal geweint. Denn Tränen sind ein Indiz für Leidenschaft. Und nur mit jener Kraft kann man aus Handlungen wahre Erfolge generieren. Mitarbeiter sollen nicht acht Stunden arbeiten, sondern die ihnen gestellte Aufgabe zu ihrem persönlichen Interesse machen. Nur dann ist die Stechuhr egal und nur dann werden am Ende mit dem Ergebnis alle zufrieden sein.

Wünschen Sie sich doch am 24. einmal den Mut zu weinen, statt einen neuen Porsche. Sie werden sehen, auch das Glück, das man vom Sportwagen erwartet, kann schlussendlich nur in Freudentränen seine wahre Erfüllung finden. Und wenn Sie die Trauer übermannt, wird das Nass der Seele zum besten Freund der Einsamkeit und zum Startpunkt für einen neuen Anlauf zu unfassbarem Glück.

Bis morgen,

Text: adolf.muenstermann@gmail.com

Bild: Pixabay