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Lollis, die auch Papa glücklich machen

In einer Gesellschaft, die sich beinahe ausschließlich über kognitiv „logische“ Intelligenz konstituiert und sukzessive auf künstliche verlagert, verliert die „emotionale Intelligenz“ immer mehr an Relevanz. Dabei war sie beinahe nie notwendiger.

Zwei mal zwei ist vier, und wer einen Fuß in den Schnee setzt, hinterlässt Spuren. Rationale Ursache- Wirkung- Prinzipien sind eine verlässliche Konstituente unserer Wirklichkeit. Der Philosoph David Hume nannte dies auch „Matters of Fact“. Was bei diesen aber meist negiert wird, ist, dass auch Empathie oder eben ihre Nicht-Existenz deutliche Folgen mit sich bringen.

Wenn beispielsweise jemand weint, also Tränen ein Gesicht benetzen und das Gegenüber kein Taschentuch oder eine Umarmung anbietet, sondern den Gesichtsausdruck mit einem lauten Lachen kommentiert, ist das „unpassend“, um nicht zu sagen „völlig daneben“. Eine solche Reaktion ist unerwartet, weil sie die Gefühle des Leidenden völlig missachtet.

Wer so agiert, wird meist als kaltherzig oder emotional debil, bzw. dumm deklariert. Folglich gibt es eine Intelligenz, die sich jenseits der klassischen Logik abspielt und nicht auf zwingenden Ursachen beruht, sondern auf sozial gewachsenen. Man könnte folglich auch anders reagieren, obwohl eigentlich nur eine Reaktion legitim oder „richtig“ ist.

Das Merkwürdige an unserer Gesellschaft ist jedoch, dass auf der einen Seite alle damit beschäftigt sind, sind glücklich zu machen, indem sie mit Hilfe von Konsum den Ausstoß von Serotonin oder Dopamin im Gehirn provozieren.

Es scheint also, als wenn wir alle nach Glück streben, unser ganzes Handeln diesem Gefühl widmen und dabei das unseres Gegenübers mit Füßen treten (müssen). Wir haben ergo verlernt, dass das größte Glück dasjenige ist, das man mit anderen teilt.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagt man oft als hohle Phrase. Interessant, dass man nicht sagt „Geteiltes Glück ist doppeltes Glück, denn beide Seiten sind Teil der gleichen Medaille. Wie sehr freuen wir uns, wenn wir mit etwas unerwartet Positivem überrascht werden. Blumen ohne konkreten Anlass, eine Umarmung aus Lust an der Zuneigung und nicht aus Pflichterfüllung oder einfach strahlender Sonnenschein. All das sind nur wenige Beispiele für Glücksmomente, die nicht vordringlich subjektiv oder egoistisch motiviert sind, sondern über das Moment des „Glück schenken“ fungieren. Und das Beste daran ist, dass sie den Schenkenden (bis auf die Sonne) meist genauso erfreuen wie den Beschenkten.

Glück ist also vielfältiger als die Facette des „Wunsch erfüllt bekommen“. Denn nicht jeden Wunsch kann man sich selbst erfüllen und somit gibt es ein Glück, für das man sich nicht selbst verantwortlich zeichnen kann. Das schönste Glück ist doch, wenn einem Sehnsüchte erfüllt werden, die man nur subtil verbreitet und dann erfüllt bekommt, wenn man am wenigsten damit rechnet.

Damit erzähle ich wohl keinem viel Neues. Was umso mehr verwundert, da es immer weniger kultiviert wird. Weshalb man sich lieber darauf verlässt, Wünsche klar zu formulieren, am besten käufliche, damit es keine Missverständnisse gibt. Der Haken daran ist nur, dass dieses Glück nie so groß sein wird wie das, mit dem man nicht rechnet.

Ich habe beispielsweise häufig Lutscher dabei, die in Klausuren meine Nerven beruhigen sollen. Neulich stand wieder eine an, und ich ging zum Ort des Geschehens, während mir auf dem Weg ein Vater beengte, der seine gestürzte Tochter vergebens tröstete. Die Lutscher in Erinnerung rufend, griff ich in meine Tasche und gab der Kleinen einen. All die Trauer war verflogen und Tochter wie Vater strahlten. Nicht weil der Vater keinen Lolli hätte kaufen können, sondern weil keiner, nicht einmal ich, damit gerechnet haben.  Das ist Glück im ganz Kleinen und dennoch in seiner absoluten Vollendung.

Glück, das auf angewandter emotionaler Intelligenz basierte. Glück, das man quasi nicht kaufen kann. Glück, das wir uns alle hin und wieder wünschen, aber so selten spenden.

Die Adventszeit ist eine gute Gelegenheit, so ein Glück zu schenken, sie ist geradezu prädestiniert, mehr auf sein Herz und weniger auf den Verstand zu hören. Weshalb entzünden wir sonst Kerzen? Weil es so behaglich ist, weil es Herzenswärme versprüht und eine Atmosphäre schafft, in der man sich wohl fühlt. Wer dann plötzlich auch einen Tee bekommt, obwohl man den Wunsch nicht geäußert hat, sanfte Massagehände auf dem Rücken spürt, ohne vorher über Schmerzen geklagt zu haben, der ist viel glücklicher als derjenige, der im Porsche über die Autobahn ballert. Glauben Sie es mir, ich habe die Sportkarren medial verkauft und keinen wirklich glücklichen Menschen getroffen. Nicht einen.

Und emotional intelligent ist auch, sich über Geschenke zu freuen, die man möglicherweise nicht so gerne mag, vielleicht einfach, weil man weiß, wie viel Mühe in den Vorüberlegungen gesteckt hat, oder wie wichtig es einem ist, den Schenkenden glücklich zu wissen.

Bis morgen,

Text: adolf.muenstermann@gmail.com

Bild: Pixabay