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Ein philosophisches Problem

Es gibt viele Bereiche, in denen sich das Corona Virus als Problem erweist. Aber oder vielleicht genau deshalb, ist Corona nicht vordergründig ein soziales, ökonomisches oder medizinisches Problem, sondern zu allererst ein philosophisches.

Die Wachstumsraten sinken, die Sterbe- und Infektionsrate sowie die Schuldenberge steigen und die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Wie kann man da von einer abstrakten Wissenschaft erwarten, dass sie dieser Probleme Herr werden kann?

Gar nicht. Die Philosophie kann das individuelle Problem nicht lösen, aber was die Philosophie kann, ist bei einer objektiven Definition des Status-Quo, seiner Werte und Priorisierung zu helfen. Die Philosophie beschäftigt sich, schon aus dem Wort „Phil(o) ((ich) liebe(n)/mögen/(mag)) und „Sophie“ (die Weisheit/Wissen) heraus mit Neugierde und Interesse, zu definieren, was abstrakt als heuristische missbrauchter Wahrheitsbegriff entlarvt werden kann.

Heuristische Wahrheit? Natürlich ist das süffisant akademisiert, sagt aber, was das Problem ist. Die Heuristik beschäftigt sich mit der Symbolik, also, welches Zeichen wird mit welcher Konnotation verbunden. Es geht also nicht um Wahrheit, sondern um Interpretation und deren gesellschaftlicher Konsensqualitäten (den Philosophen wie Jürgen Habermas als einzig mögliche Wahrheit deklarieren).

Zu oft entspringt der Bestand an Worten, die ein Argument darstellen wollen oder sollen auf Vermutungen oder gesellschaftlich gereiften Überzeugungen, die als Wahrheit akzeptiert werden und/oder wurden. Morden ist schlecht/böse, eine Dame mit Blumen überraschen oder einer Älteren über die Straße zu helfen, ist gut. Gehen wir aber nur eine Stufe weiter zurück, wird diese Argumentation schon brüchig, denn, hätte man Hitler umbringen sollen, wenn man die Möglichkeit gehabt hätte?

Diese Frage macht die Akzeptanz der Allgemeingültigkeit des Urteils „Mord ist schlecht“, schon komplizierter. 

Ähnlich ist es bei dem Corona Virus. Jede Wissenschaft oder Fassette einer Kernkompetenz pocht auf die Daseinsberechtigung der Qualität und Notwendigkeit seiner Argumente. Dass es dabei dann nicht selten nur zu Missverständnissen oder gar Widersprüchen kommt,  liegt daran, dass die Repräsentanzen der Auswirkungen in der „Sprache der Urteilenden“ (Nitzsche), nicht exakt definiert sind. Wir wissen nicht, ob das Leben eines 80-jährigen weniger geschützt werden soll als das eines 20jährigen, zumindest nicht evokativ.

Nicht weil wir keine Präferenz hätten, sondern weil es uns an Wissen fehlt. Wir stützen unsere Meinung auf Meinungen die sich am Ende in Spekulationen verlieren.

Wir wissen ja noch nicht einmal, ob es uns schon als Essenz vor der physischen Repräsentanz gab. Wir haben nicht einmal vom gleichen „Blau“ oder „Rot“ das wir sinnlich wahrnehmen die gleiche Vorstellung,  glauben aber die Hierarchie einer Moral begründen zu können. Und warum glauben wir das? Weil es keinen Philosophen gibt, der sich entweder die Mühe macht, sich mit dem Problem aktiv auseinander zu setzen (abgesehen von dem Mann mit dem Fön, der nicht nur Blödsinn verzapft) oder der von keinem gehört werden will.

Wir benötigen Philosophen, die sich selbstlos und ohne jede Konnotation persönlicher  Präferenzen dem Problem Sprache und Moral in der Pandemie annehmen. Die nicht loslegen um ein gewünschtes Ziel zu erreichen, sondern aus Interesse an der Wahrheit forschen, um am Ende, wenn nicht ein Urteil, so doch zumindest eine wahrscheinliche Tendenz aufbieten zu können, die als Argument im Diskurs über die jeweilige Problemstellung entscheidend sein kann.

Wenn allen das Glück als oberste Maxime wichtig ist, hat folglich das Glück des Ökonomen viel mit dem des Soziologen oder Mediziners gemein. Nicht auf der szientistisch eigenen Agenda, aber auf der interdiskursiven aller Wissenschaften.

Die Aufgabe der Philosophie ist folglich nicht, ein Urteil zu fällen im Sinne von: Das ist „gut“ oder „schlecht“, sondern sie hilft die Problemfelder so zu definieren, dass man überhaupt ernsthaft sich Gendanken darüber machen kann, welche Hierarchie in  den Ereignissen die tangiert werden, getroffen werden muss oder kann.

Wir müssen also zuerst erfahren womit wir kommunizieren und werten, bevor wir uns dem eigentlichen Inpact oder der pragmatischen Relevanz widmen.

Das ist kein theoretischer Bullshit für Metaphysiker mit zu viel Zeit, sondern ein notwendiger Prozess, um jeder Diskussion überhaupt auch nur den Anschein eine Relevanz zu verleihen.

Niklas Luhmann hat mal gesagt: „gegen Komplexität lässt sich nicht demonstrieren“, stimmt, aber man kann, um sie zu verständlichen, beginnen, die Kohärenz der Komplexität und deren Ursprungsherde zu definieren. Welche (moralische) Priorität wir dann welchem Faktum zusprechen, kann dann in jeder Wissenschaft für sich diskutiert werden.

Text: adolf.muenstermann@gmail.com

 Bild: Pixabay