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"Herzlichen Glückwunsch"

Kaum ein Ereignis war in letzter Zeit so medienpräsent wie die Wahl des 46. Amerikanischen Präsidenten. Und nicht wenige sind überrascht, dass es Biden im dritten Anlauf endlich geschafft hat, von Delaware ins Weiße Haus zu ziehen. Aber was nun?


Vorm Kapitol campieren die Obdachlosen. Und bedingt durch die Corona-Pandemie werden es täglich mehr. Aber die derzeit circa 20 Millionen Arbeitslose in den USA sind nicht das einzige Problem, was „Mr. President elect“ und sein Team vor sich haben.

Das Atomabkommen mit Iran, das Klimaabkommen von Paris, Trouble mit China sowie Europa und dann war da ja auch noch eine gespaltene Nation von etwa 320 Millionen Menschen, die es wieder an einen Tisch zu bringen gilt. Es gibt nicht viele Menschen, denen ich diese Herausforderung zutrauen würde und noch weniger alte Herren, die mir als Ideallösung einfallen, aber der 77-jährige Joe Biden muss es jetzt richten.

Bei seiner Ansprach heute am frühen Morgen gegen 4.30 cet. in Delaware, gab sich der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika schon staatsmännisch. Er wolle ein Präsident für die sein, die ihn nicht gewählt haben und jene, die ihm das Vertrauen schenkten, versprach der Mann mit dem verschmitzten Lächeln und leicht nervöser Stimme.

Die Herausforderung sei, aus Feinden wieder Oppositionelle zu machen, die in der Sache streiten, aber gemeinsam als Amerikaner auftreten. Dass es von nun an nicht mehr Blaue und Rote sondern nur noch ein Amerikanisches Volk geben dürfe, ließ er bereits vorher verlauten.

Aber wie soll das gelingen, in einem Land, das seit dem Jahr 1860, als Abraham Lincoln Präsident wurde und der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, nicht mehr so gespalten war? Wie besänftigt man die mindestens 70 Millionen Amerikaner, die ihn nicht gewählt haben und mit Schusswaffen einen Abzählstopp erreichen wollten?

Sicher ist, dass sein Vorgänger die Karten der Weltordnung neu gemischt hat. Alle Politiker sind sich einig, ein Zurück zum ante Status quo scheint nicht mehr möglich und vielleicht ist das auch gut so. Donald Trump hat sich zwar verhalten wie ein Elefant im Porzellanladen, aber dennoch den Finger in die richtigen Wunden gelegt: Europa muss sich endlich emanzipieren, denn die USA wollen nicht länger die Welt- Polizei spielen, und das wird auch für Biden eine Maxime sein müssen, wenn er nicht von den extrem Konservativen wie sein Vorgänger aus dem 19. Jahrhundert erschossen werden möchte. Aber das ist längst nicht alles.

China habituiert sich wie eine Supermacht in den Startlöchern, die sich aller Patente bedient, aber keinen Regress zu zahlen bereit ist, das haben wir in Deutschland bereits bei der Solarenergie- Branche gemerkt und das spüren auch die USA. Ihre alten Steckenpferde, Automobil- und Stahlindustrie liegen am Boden und die Pandemie tanzt darauf Cha Cha Cha.

Trump hat mit dem Austritt aus dem Klimaabkommen von Paris, vor der Pandemie, die Wirtschaft wieder so zum Brummen gebracht, wie seit über 70 Jahren nicht mehr, angeblich, so Umfragen, gehe es 55 Prozent der Bevölkerung des Landes mit den“ stars and stripes“ wirtschaftlich besser.

Die Siege in Georgia und  Nevada sind ergo ein großer Vertrauensvorschuss, der Biden sogar von Pennsylvania gemacht wurde. Aber wie kurbelt man eine Maschine an, wenn der Motor marode und die Inbetriebnahme derselben zu dreckig ist, um den Zielen eines Klimaabkommens zu genügen, das so hartnäckig mit Taten befriedigt werden möchte, wie es Trump von Deutschland bei den Verteidigungsausgaben forderte?

Und wie die Iraner, die letzte Woche ankündigten, die Urananreicherung auf 20 Prozent zu erhöhen, wieder an einen Tisch bekommen? Joe Biden tut gut daran, wenn er eine besonnene Hand bewahrt und Aufgaben aufteilt. Seine mit Hoffnungen zugekleisterte Vize Präsidentin Kamala Harris könnte sich vermehrt den inneren Wunden widmen. Dafür hat er sie ins Boot geholt, sie muss aus „black life matters“ einen „Alle Menschen sind gleich“ Status schaffen und seine Unterhändler müssen dafür sorgen, dass der Tisch für G8, NATO, Klima- und Atomabkommen reichlich gedeckt wird, ohne dies auf Kosten der Bevölkerung zu machen, die einer Entlassungswelle zum Januar des kommenden Jahres entgegen friert.

Pandemie und Wirtschaft könnten Synergie- Effekte ergeben, die sich gegenseitig beflügeln, ein demonstrativer Rückzug vom Kampfplatz der Weltpolitik Iran besänftigen und sein sanfter Ton wieder Ruhe in international angenagte Beziehungen bringen, aber das ist alles nur graue Theorie,  ab dem 20. Januar, wird eine erstarkte republikanische Partei den neuen Präsidenten vor sich hertreiben, weshalb man nicht zu viele Streicheleinheiten erwarten darf. Biden wird freundlich sein, aber auch er wird sich der Doktrin eines "America first“ unterwerfen oder zumindest anlehnen müssen, um das Land nicht noch weiter zu spalten.

Vier Jahre hat er sich gegeben, dann sei Schluss. Also wird Biden von Anfang an Vollgas geben (müssen), denn das Anbiedern für eine weitere Amtszeit braucht er sich nicht geben.

Wollen wir hoffen, dass der Mann, der das Kindheitstrauma Stottern, den Tod von Frau und Tochter durch einen Autounfall, den Tod des Sohnes an einem Hirntumor und die Alkohol- sowie Drogensucht des anderen überwunden hat, auch in der angespannten politischen Lage seines Heimatlandes sowie auf der Weltbühne „cool bleibt“.

Theoretisch spricht seine Vorgeschichte für Nerven aus Stahl, aber praktisch kratzt Joe Biden bereits heftig an der Hürde 80. Lebensjahr.  Jetzt heißt es, dass Erfahrung die Kraft der Jugend kompensiert und der für Fauxpas bekannte „sleepy Joe“ die Fettnäpfchen Quote gering hält.

Aber bei all den kritischen Anmerkungen:

 Ich bin froh, dass diese Aufgaben in seinen Händen liegen und nicht in denen eines blonden Hans Dampfs, dessen stärkste Waffe, kein Benehmen ist bzw. war. Ich hoffe, dass die Welt den Warnschuss des 45. Präsidenten der USA verstanden hat und es noch nicht zu spät ist, denn einen erneuten Weltenlenker vom Format eines Donald Trumps wird der Frieden wohl nicht überleben.

1988 sprach Ronald Reagan vor dem Brandenburger Tor : Mr. Gorbatschow,  „tear down this wall“. Heute steht wieder eine Mauer: an der Grenze zu Mexiko und in den Köpfen vieler US-Amerikaner, weshalb die Worte des zweitklassigen Schauspielers aber extrem beliebten Politikers  nur noch einmal inständig wiederholt werden können.

Ich wünsche ihm dabei eine glückliche Hand.

 

Wie sagt man bei solchen Gelegenheiten gern:

„Herzlichen Glückwunsch“

 

Bild: Pixabay

Text: adolf.muenstermann@gmail.com