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Joe Biden entscheidet Präsidentschaftswahl für sich

Nach einem erbittert geführten Kampf um das Weiße Haus hat Joe Biden die US-Präsidentschaftswahl gewonnen - Amtsinhaber Donald Trump aber verweigert in einem beispiellosen Schritt die Anerkennung seiner Niederlage.

Vier Tage nach dem Wahltag riefen die US-Sender am Samstag den früheren Vizepräsidenten zum Sieger aus, womit nach vier von Affären und Skandalen geprägten Jahren die Amtszeit Trumps im Weißen Haus endet. Deutschland und viele westliche Staaten gratulierten Biden umgehend, eine Reaktion aus Moskau blieb zunächst aus.

Die US-Sender meldeten am Samstagmittag (Ortszeit) den Sieg Bidens zuletzt auch im Schlüsselstaat Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten - und damit auch den Wahlsieg insgesamt. Der 77-Jährige wird damit der 46. US-Präsident - und zugleich auch der älteste in der Geschichte des Landes. 

Biden erklärte in einer ersten Twitter-Botschaft, er wolle "Präsident für alle Amerikaner" sein. "Die vor uns liegende Arbeit wird hart sein, aber ich verspreche euch dies: Ich werde ein Präsident für alle Amerikaner sein - ob ihr für mich gestimmt habt oder nicht." Am Abend (20.00 Uhr Ortszeit) wollte Biden in seiner Heimatstadt Wilmington eine Rede halten. 

Seine künftige Vize-Präsidentin, Kamala Harris, schrieb bei Twitter, vor ihnen liege viel Arbeit. "Lasst uns anfangen." In Washington und New York sowie vielen weiteren US-Städten strömten die Biden-Anhänger auf die Straßen und feierten frenetisch den Sieg von Biden und Harris.

In seiner ersten Reaktion erkannte Trump den Wahlsieg seines Kontrahenten nicht an. "Fakt ist: Die Präsidentschaftswahl ist noch lange nicht vorbei", erklärte Trump, obwohl das Wahlergebnis feststand. Biden stelle sich "fälschlicherweise" als Sieger dar und werde dabei von seinen "Medien-Verbündeten" unterstützt.

Trump hatte zuvor mehrfach angekündigt, das Wahlergebnis mit allen juristischen Mitteln anfechten und dabei bis vor den Obersten Gerichtshof ziehen zu wollen. Der Präsident spricht ohne jeden Beleg von massivem Wahlbetrug, mit dem die Demokraten ihm die Wahl "stehlen" wollten. 

Sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani bekräftigte, dass Trump den Sieg Bidens nicht anerkennen werde - mindestens 600.000 Stimmzettel seien bei dieser Wahl zu beanstanden. Trump kündigte an, von Montag an würden seine Anwälte vor sämtlichen Gerichten Einspruch gegen die einzelnen Wahlergebnisse einlegen.

Die Erfolgsaussichten der Klagen gelten allerdings als gering. Auch in den eigenen Reihen ist Kritik am Vorgehen des Präsidenten laut geworden, weil er mit dem Wahlsystem einen der zentralen Pfeiler der US-Demokratie angreift. Der konservative US-Senator und Trump-Kritiker Mitt Romney gratulierte Biden zum Sieg - und war damit der erste Parlamentarier aus dem Trump-Lager, der Bidens Wahlsieg anerkannte.

Die Amtszeit des rechtspopulistischen Präsidenten läuft noch bis zum 20. Januar. Dann soll Biden als neuer Präsident vereidigt werden. Trump ist der erste amtierende Präsident seit George Bush senior 1992, der eine Wahlniederlage erleidet und nicht für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wird. 

Den US-Sendern zufolge kam Joe Biden am Samstagnachmittag (Ortszeit) auf mindestens 279 Wahlleute. Für einen Wahlsieg brauchte er mindestens 270. Biden war bei der Wahl am 3. November als Favorit ins Rennen gegangen, das Duell verlief dann aber enger als von vielen Meinungsforschern vorhergesagt. Biden unterlag zwar im Swing State Florida, konnte aber die wichtigen Bundesstaaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin im Mittleren Westen von Trump zurückerobern. 

Der einstige Stellvertreter von Präsident Barack Obama wird nach vier turbulenten Trump-Jahren ein zutiefst gespaltenes Land übernehmen, das zudem von der Corona-Pandemie schwer getroffen ist. Trump gilt als einer der umstrittensten Präsidenten der US-Geschichte, seine seit Anfang 2017 laufende Amtszeit wurde von zahlreichen Affären und Skandalen begleitet.

Der Präsident hat mit rechtspopulistischer Rhetorik, nationalistischer Politik und wüsten Beschimpfungen politischer Gegner viele Menschen gegen sich aufgebracht. Zugleich hat der Verfechter von "Amerika zuerst" eine riesige, teils fanatische Anhängerschaft. 

Aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada kamen nur kurze Zeit nach der Verkündung des Wahlsieges Glückwünsche für Biden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schrieb, sie freue sich auf die "künftige Zusammenarbeit mit Präsident Biden" und nannte die transatlantische Freundschaft "unersetzlich, wenn wir die großen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen wollen". Aus Russland, das sich in die Wahl 2016 nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste zugunsten Trumps eingemischt hatte, gab es zunächst keine Reaktion.

ju/yb