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Wo keine Titten da keine Skrupel

Armageddon in den USA. Ein Komet zerschellt in der Atmosphäre und ein Vater sucht im Chaos einer dekadenten Zivilisation seine Familie. Eine etwas persönlichere Filmkritik.




Stellen Sie sich vor, das Leben spielt das Spiel des ganz „normalen“ Wahnsinns. Da nervt der überfreundliche Nachbar auf der einen und die unfassbar schöne Ehefrau mit Wünschen, die man nur der Zuneigung halber, nicht abschlagen kann. Mitten drin der Nachwuchs, sieben Jahre alt und leidenschaftlicher Maler. Und in all diese ein wenig zu pathetisch inszenierte Harmonie bricht ein Handyklingeln, das ihnen verrät, dass sie auserwählt sind, auserwählt für einen Spezialbunker in Grönland, weil von der gekannten Zivilisation nach dem Einschlag aller Segmente eines Kometen, wohl nicht viel übrig bleiben wird.

Greenland (Tobis)

Nehmen Sie die Nachbarkinder mit, obwohl Sie wissen, dass die Regierung bei der Selektion rigoros aussortieren wird, und wenn es das Schicksal will, dass Ihr Kind zuckerkrank ist, würden sie es an Board lassen.

„Greenland“ mutet an wie eine typische Endzeitgeschichte der USA aber verwandelt sich im Subtext zu einer ausgereiften Gesellschaftskritik. Was bleibt von Ethik und Moral, wenn „survival of the fittest“ gefragt ist?

Greenland (Tobis)

Und, jenseits allem überflüssigen Schwulzes, wenn es ans Eingemachte geht, würden Sie einen Seitensprung verzeihen?

Ric Roman Waugh, der Regisseur, hat weiß Gott ein Händchen für Dramatik und scheint ein waschechter Patriot zu sein, denn alles Militärische war „hard but fair“. Die Soldaten kahl geschoren, die Vorgesetzten gnadenlos und die Untergebenen Herzens warm. In „Greenland“ sind sogar die Diebe gnädig, während sich brave Ehemänner als skrupellose Kidnapper entpuppen.

Greenland (Tobis)

Wohl nur in Amerika fragen Vorbeifahrende redundant: would you need a ride?“ wenn man einsam als wunderschöne Frau die Autobahn entlang schlendert; erst recht, wenn meanwhile die Welt untergeht.

Popkornkino für die ganze Familie, mein persönlicher Eindruck ist jedoch, dass hier eine FSK Freigabe ab 16 nicht geschadet hätte. Aber hey, wo keine Titten, da keine Skrupel.

In 114 Minuten und ein paar Sekunden, hat der Produzent von John Wick einen Film auf die Beine gestellt, der mit ein wenig zu viel Chi Chi wie rudimentärem Handyempfang während die Welt untergeht und vergnüglichen Rentnern beim Kartenspielen, obwohl  man die Tochter samt Familie im Ungewissen wägt. Und auf der anderen Seite zu viel amerikanischer Pathos, „All in all“ wurde ordentliches Entertainment abgeliefert. „He did his Job“, würde man in Texas wohl sagen.

Wer hingegen seinem Job nicht nachkam, war ich, der sich den Film mit seiner Tochter im Kino ansehen wollte und im Überschwang der Termine in Paderborn weilte, während er hier die Gelegenheit besessen hätte, seinem Nachwuchs zu zeigen, was er alles für sie aufs Spiel gesetzt hätte.

Ich habe den Film heute allein und auf eigene Kosten geschaut, auch, weil ich dem Cineplex eine Kritik versprochen habe. Es brach mir jedoch das Herz, dass meine Tochter ihn gestern allein ansehen musste.

 

Wertung:

Vier von sechs kalten Cola und das Potential zum Papa/Nachwuchsfilm, wenn Mama nicht gerade als Helikopter über einem anarchischen Wochenende thront.

 

Bis morgen,

 

Text: adolf.muenstermann@gmail.com



Bildrechte: Tobis Film GmbH

Fotograf: TOBIS/STX