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Warum der Wurm weg bleibt und die Bananen giftig sind

Die gebürtige Eperanerin Sr. Mathilde über Klimawandel in Indonesien

Epe (pbm/al). Extreme Hitze, wochenlange Trockenheit, heftige Stürme: Die Auswirkungen des Klimawandels werden in Deutschland immer mehr Menschen bewusst. In anderen Teilen der Erde hingegen ist der Klimawandel längst existenzbedrohende Wirklichkeit – das wird manchmal schon am Ausbleiben eines Wurms oder an ungenießbaren Bananen deutlich.

Diese Erfahrung hat Schwester Mathilde Franke gemacht. Die gebürtige Eperanerin gehört dem Orden der Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut an. Seit Jahren arbeitet die 73-Jährige am Aufbau einer katholischen Hochschule auf der ostindonesischen Insel Sumba mit.


Gemäß der Natur-Religion Marapu sei es Aufgabe der Ältesten, das jährliche Nyale-Ereignis vorherzusagen. Nyale sind spaghettiartige, in unterschiedlichen Farben glänzende Würmer. In einer einzigen Februarnacht spült sie jedes Jahr eine riesige Welle ans Land. Dort sammeln die Menschen sie ein, bereiten sie als Speise zu und gedenken beim Mahl ihrer Verstorbenen.

In diesem Jahr konnten die „Marapupriester trotz ihres ausgeprägten Gespürs für die Naturereignisse das Datum für das wichtige Ereignis nicht bestimmen“, erzählt Schwester Mathilde. Die Verwirrung bei den Priestern und im Volk sei groß gewesen, bis irgendwann „doch noch ein  magerer Abklatsch von dem eigentlich großartigen Naturereignis“ stattgefunden habe.


Vor zwei Jahren war die Natur schon mal aus dem Tritt geraten. „Gut aussehende Bananen, führten plötzlich zum Tod der Menschen, die sie aßen“, erzählt Schwester Mathilde. Mit der Zeit hätten die Menschen zwar gelernt, kranke Bananenstauden zu erkennen. Die Ursache für dieses Phänomen sei unklar, sicher sei nur: Das hat es in Indonesien zuvor nie gegeben. 


Auch Dr. Henry Schürmann, Referent für entwicklungspolitische Bildung beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor, der mehrfach mit Schwester Mathilde zusammengearbeitet hat, kennt die Probleme: „Unzuverlässigkeit der Jahreszeiten, Häufung von Wirbelstürmen, auf Sumba wiederholt kleinere Erdrutsche im Osten der Insel und in der Provinz Asmat in Westpapua Absterben küstennaher Wald- und Gartengebiete seit mindestens 2005 aufgrund häufigerer, zu intensiver Überschwemmungen mit Meerwasser“, nennt er Beispiele.


Insbesondere die Unsicherheit, wann und wie stark die Regenzeit kommt, mache den Menschen zu schaffen. Der beste Zeitpunkt für die Aussaat lasse sich nicht mehr anhand uralter Bauernregeln oder der Mondphasen bestimmen. In der Folge würden Ernten vertrocknet oder weggeschwemmt, Bauern hätten Mehrkosten durch mehrfache Aussaaten. Auch sei die gesellschaftlich wichtige Autorität der Ältesten als Verantwortliche für die Interpretation von jahreszeitlichen Terminen untergraben worden. In machen Jahren hätten die Einheimischen gar von einer „Hungerzeit“ als dritter Jahreszeit neben Trocken- und Regenzeit gesprochen.


Die Erdrutsche gefährdeten vor allem Küstenorte, die die lokalen Regierungen mit hässlichen Betonmauern abgeriegelt hätten. Außerdem steige die Zahl der Malaria-Krankheiten in höher gelegenen Regionen, die für die die Krankheit übertragenden Mücken früher zu kühl waren.


Warum all das geschieht, können die Indonesier kaum verstehen. „Ein Bewusstsein für klimatische Veränderungen, deren Ursachen und Folgen ist weitgehend noch nicht vorhanden“, sagt Schwester Mathilde, „zu sehr sind die Menschen mit ihrer Existenzsicherung beschäftigt, außerdem fehlt ihnen Bildung.“ Die örtliche Regierung wiederum sei vor allem mit anderen Problemen wie etwa der Infrastruktur beschäftigt.


Auch bei der Bundesregierung stellt Schürmann vor allem „indirekte Symptom-Bekämpfung“ fest, die den Menschen eher schade. So habe man die Meeresküste der langsam versinkenden Hauptstadt Jakarta eingedeicht und dabei Arme aus angeblich illegalen Elendsvierteln in Küstennähe vertrieben, unter anderem, um dort teure Apartmentblocks mit Meerblick zu bauen.


Trotz allem: Schwester Mathilde ist zuversichtlich, dass die Indonesier ein Gefühl für die Zusammenhänge entwickeln. Immerhin glaube die Naturreligion der Marapu an eine beseelte Schöpfung, der die Gläubigen mit Ehrfurcht begegnen. Ebenso arbeiteten die katholische und die evangelische Kirche daran, „Umweltbewusstsein bei der jungen Generation aufzubauen.“ So seien alle Studierenden der katholischen Hochschule zur Teilnahme an Workshops verpflichtet. Dieses von Misereor unterstützte Projekt motiviere sie, nicht nur einen „Sauberen Campus“ umzusetzen, sondern ihr Wissen an Dorfbewohner weiterzugeben. Außerdem hätten sie beim Gemüseanbau in Trockenzeiten geholfen. „Wenn all diese angehenden Lehrkräfte die Sorge um unsere Mutter Erde in die Schulen tragen und alle gesellschaftlichen Schichten zusammenarbeiten, darf man auf eine bessere Zukunft hoffen“, meint Schwester Mathilde.


Bildunterschriften:

1: Erfahrene sumbanesische Bauern auf ihren Feldern in einem Projekt, das Schwester Mathildes Frankes Orden auch dank Förderung von Misereror umsetzt. Damit soll der von der Regierung propagierten Monokultur ein anderes und angesichts des Klimawandels widerstandsfähigeres Konzept entgegen gesetzt werden.

2: „Das Meer frisst unseren Wald“, sagen die Menschen, wenn wie hier in Westpapua aufgrund zu häufiger und zu intensiver Überschwemmungen mit Meerwasser die Bäume und Gärten sterben.                                 

Fotos: Misereor