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Verführung

Warum benutzen wir welches Schema, um äußerlich zu beeindrucken?

Ich versuche mich in der Tradition großer Meister wie Hartmann von der Aue, mich also nicht in nur annähernd blumiger Darstellung des Schönsten, was andere bereits zu unbeschreiblich vor mir geleistet haben und wende mich bei diesem kleinen literarischen Erguss eher den Formalia der vorbereitenden Begattung zu.

Deshalb: erstmal die Werbung.

Maskara ab 4,99 bei DM zumindest gestern noch.

All das Aufgebretzel, Zurechtmachen und Perfektionieren des eigenen Habitus, dient nur einem Zweck: dem der Fortpflanzung. Lustig, dass sich, auch nachdem die Pille etabliert wurde, nichts geändert hat. Der Code: „Ich will ….!“ Ist der gleiche, aber die gesellschaftliche Norm und die Implikation haben sich grundlegend geändert. Während früher der Sexualtrieb ein natürlicher Prozess wie Urinieren war, den man weder negiert noch glorifiziert, sondern einfach zelebriert hat, wird heute mit dem größten Selbstbewusstsein das eigene Stück Fleisch nach bestem wissen und Gewissen zum Supermarkte getragen um hoffentlich vom richtigen entschlüsselt zu werden. Aber eben nur vom richtigen. Es ist „usus“, dass man machen kann was man will, nur begründet auf der Hoffnung das zu erreichen was man will, aber auch ohne Rücksicht auf alle anderen. Der Paarungscode „Aufbretzeln der vormals schlicht paarungsreifen Frau wurde zum Markenzeichen des kultivierten Hedonismusses und der Freiheitsbegriff des „Meine hört da auf, wo die des anderen anfängt“ ist rein materiell. Ob ich mich belästigt, erfreut oder ermutigt fühle, alles ist verboten nur weil Madame oder Monsieur Hoffnungsfroh ist. Nun gut. Das ist Demokratie.

 

Mich wundert nur, warum sich am Code selbst nichts geändert hat, außer der Tatsache, dass vor 400.000 Jahren wirklich im Wesentlichen ihr Hinterteil und nur das, ihn in Oxitozinstimmung versetzte.

 

Was ich sagen möchte ist, dass sich alles am Akt verändert hat. Die Fortpflanzung beinahe zum notwendigen Beiwerk gerät, aber die Codes bleiben die gleichen. Warum verändert sich „das merkwürdige Paarungsverhalten geschlechtsreifer Großstäder zur Paarungszeit“ nicht? Zumindest nicht wesentlich?

 

Wenn man spezifischere Signale setzt, ist die Wahrscheinlichkeit der Fehlinterpretation unwahrscheinlich und die potentiell belästigende Handlung auch? Aber dann bleibt zu wenig Masse für die Auswahl, denn überall wird suggeriert, dass die Auswahl an potentiellen Sexpartnern unermesslich ist. Und in der Tat: Zwei Stunden konzentriert am Rechner und ich habe ein perfektes Paarship-profil, bis wir uns treffen. Es scheint, als sei uns die potentielle Auswahl wichtiger zu sein als das eigentliche Zielobjekt. In der Relevanzskala heißt das: „begehrt zu werden“ steht vor „vernascht werden“. Aber dennoch verkaufen wir die Gier nach Blicken in der Währung des Vernaschens und wundern uns, dass es tatsächlich Menschen gibt, die das wörtlich nehmen: Ahhh, Du willst Käsekuchen backen, bin dabei!“

 

Wir haben also gesellschaftlich gesehen zwei Möglichkeiten, um den Friedlichkeitslevel zu erhöhen: Mehr Toleranz durch die wohlwollende Interpretation des Komplimentes oder Anpassung des Brumpfverhalten. Die Eierlegendewollmilchsau funktioniert hier nicht.

 

Bild und Text: adolf.muenstermann@gmail.com und