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Merkel und Macron helfen endlich

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), kritisierte die EU-Flüchtlingspolitik als "europäische Schande".

Etwa 400 Minderjährige aus dem zerstörten Flüchtlingslager Moria sollen Schutz in anderen EU-Ländern bekommen: Dies sieht eine Vereinbarung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor, wie AFP am Donnerstag aus Verhandlungskreisen erfuhr. Die minderjährigen Flüchtlinge sollen auf EU-Länder verteilt werden, die sich zur Aufnahme bereit erklären. Politiker in Deutschland hatten zuvor allerdings eine Aufnahme in weitaus größerem Umfang gefordert.

Macron bestätigte bei einem Besuch in Korsika, dass er gemeinsam mit Merkel eine europäische Initiative zur Aufnahme der Menschen plane. "Wir werden versuchen, eine möglichst große Zahl europäischer Länder zu bewegen, Flüchtlinge aufzunehmen, vor allem Minderjährige", sagte Macron. Über ein solches Zeichen der "Solidarität" hätten Merkel und er bereits mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis gesprochen.

Die nun anvisierte Zahl von 400 sei nur eine ungefähre Größenordnung und könne sich im Laufe der Gespräche über die gemeinsame Initiative noch ändern, hieß es aus Verhandlungskreisen gegenüber AFP. Sie hänge auch ab von den Wünschen der griechischen Regierung. Das auf der griechischen Insel Lesbos gelegene Lager war zuvor bei einem Brand zerstört worden, mehr als 12.000 Menschen wurden obdachlos.

Die EU-Kommission hatte bereits am Mittwochabend angekündigt, Griechenland bei der sofortigen Verlegung und Unterbringung der 400 auf Lesbos verbliebenen unbegleiteten Minderjährigen zu helfen. Die Initiative von Merkel und Macron dürfte nun dazu dienen, diesen Minderjährigen Schutz in anderen EU-Ländern zu gewähren.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) stellte am Donnerstag eine rasche Unterstützung für die Flüchtlingskinder in Aussicht. Er gehe davon aus, "dass es jetzt eine schnelle Lösung gibt für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge", sagte er. "Deutschland, Frankreich und einzelne andere Länder sind bereit, da etwas zu tun", sagte Scholz.

In Deutschland waren zuvor massive Forderungen nach einer schnellen Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria laut geworden. Das CSU-geführte Bundesinnenministerium hatte es aber abgelehnt, dies im deutschen Alleingang zu tun; es forderte eine europäische Initiative.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) geriet dabei unter starken Druck: Der Koalitionspartner SPD unterstellte dem Innenminister eine Blockadehaltung, auch einzelne Unionspolitiker forderten eine sofortige Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria. 

Seehofers Parteikollege, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), plädierte für die Aufnahme von 2000 Flüchtlingen aus Moria in Deutschland. Innerhalb der EU müsse Deutschland in einer "Koalition der Willigen" vorangehen, sagte er im ARD-Fernsehen. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Brand (CDU), schlug im SWR vor, dass Deutschland notfalls im Alleingang 5000 Flüchtlinge aufnehmen sollte.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), kritisierte die EU-Flüchtlingspolitik als "europäische Schande". Barley nannte es im ZDF "absurd", dass viele Städte und Gemeinden in Deutschland schon lange bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen, dies aber nicht dürften, weil die Zustimmung des Bundes fehle. Es wäre "zynisch", auf das Angebot der Kommunen jetzt nicht zurückzugreifen, sagte sie.

Angebote zur Aufnahme liegen etwa aus Thüringen und Berlin vor, auch die unionsgeführten Regierungen in Nordrhein-Westfalen und Bayern signalisieren Aufnahmebereitschaft. 

Auch Politiker der Grünen und der Linken forderten eine rasche Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. AfD-Chef Tino Chrupalla gab den Bewohnern von Moria die Schuld an dem Feuer - "Brandstifter" dürften nicht nach Deutschland evakuiert werden. Den Verdacht der Brandstiftung hatten griechische Behörden allerdings zunächst nicht bestätigt.

pw/cne

© Agence France-Presse