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...geht aus wie das "Hornberger Schießen"

Die russische Regierung wies erneut jede Verantwortung für den Giftanschlag zurück. "Es gibt keinen Grund, den russischen Staat zu beschuldigen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Nach dem Nachweis des Giftanschlags auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist eine Debatte über eine angemessene Reaktion auf den Fall entbrannt. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach sich für "eine klare gemeinsame Haltung" der EU aus und griff den Kreml scharf an. Politiker der Union und der Grünen drängten zu Sanktionen gegen Russland, unter anderem durch einen Baustopp der Gas-Pipeline Nord Stream 2. Derweil warf der belarussische Präsident dem Westen vor, den Giftanschlag vorgetäuscht zu haben.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch erklärt, Nawalny sei "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff vergiftet worden. Der russische Oppositionelle war am 22. August mit Vergiftungserscheinungen aus Russland zur ärztlichen Behandlung nach Berlin geflogen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den "versuchten Giftmord" und kündigte an, dass gemeinsam mit EU und Nato über eine "angemessene" Reaktion entschieden werde.

Die russische Regierung wies erneut jede Verantwortung für den Giftanschlag zurück. "Es gibt keinen Grund, den russischen Staat zu beschuldigen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Er warnte den Westen vor einem "vorschnellen" Urteil und dem Verhängen von Sanktionen. Es gebe keinen Anlass für neue Wirtschaftssanktionen oder einen Baustopp der Gas-Pipeline Nord Stream 2, erklärte Peskow. 

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko beschuldigte den Westen, den Anschlag vorgetäuscht zu haben, um Moskau von einem Eingreifen in Belarus abzuhalten. Seine Geheimdienste hätten ein Telefonat zwischen Berlin und Warschau abgefangen, aus dem dies eindeutig hervorgehe, sagte Lukaschenko bei einem Treffen mit dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin in Minsk.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) griff den Kreml scharf an und bezeichnete "das System Putin" als "aggressives Regime". "Ich erwarte von der EU, dass es eine klare gemeinsame Haltung gibt, Russland dazu zu bringen, die Tat vollständig aufzuklären und die Täter zur Verantwortung zu ziehen", sagte sie der "Rheinischen Post".

Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Moskau müsse die Hintergründe der Tat "vollumfänglich und transparent" aufklären. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt drangen auf eine gemeinsame europäische Reaktion.

Für Diskussionen sorgte die Forderung des Vorsitzenden im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), Nord Stream 2 auf Eis zu legen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unterstützte den Vorschlag und forderte nach einer Fraktionsklausur in Berlin darüber hinaus, russischen Oligarchen Immobiliengeschäfte in Deutschland zu verbieten.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Klaus Ernst (Linke), bezeichnete Röttgens Forderung hingegen als "absolut kontraproduktiv". Wenn Nord Stream 2 gestoppt werde, zahle der deutsche Kunde die Zeche, sagte er der "Welt". Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff plädierte in der "Welt" bis zur Aufklärung des Falls für ein Moratorium für den Pipeline-Bau.

Deutsche Wirtschaftsvertreter warnten hingegen vor Sanktionen gegen Russland. Wirtschaftssanktionen, die "an der Sache völlig unbeteiligte Unternehmen und die russische Bevölkerung treffen würden", halte der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft für falsch, erklärte dessen Vorsitzender Oliver Hermes. 

Die EU äußerte sich zurückhaltend zu möglichen Sanktionen und erklärte, sie wolle zunächst weitere Informationen abwarten. Bisher gebe es keine Hinweise darauf, wer für die Vergiftung konkret verantwortlich sei, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. 

Die Nato wird nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg demnächst über mögliche Konsequenzen aus dem Fall beraten. In Nato-Kreisen wird ein Treffen des Nordatlantikrates in den kommenden Tagen noch vor der nächsten regulären Sitzung am Mittwoch für möglich gehalten.

noe/ck

© Agence France-Presse