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Kommunalwahl 2020 - SPD

Am 13.09.2020 wählt Münster. Wir haben mit den Parteien über ihre Ziele gesprochen, nur „Die Partei“ und die „AfD“ waren nicht verfügbar. Im Stadt4.0-Interview steht uns Dr. Michael Jung, der Spitzenkandidat der Spd, Rede und Antwort


stadt4.0: Sehr geehrter Herr Jung, was sind Ihrer Meinung nach die drängendsten Probleme, denen sich der Rat nach der Wahl stellen muss?

 

Jung: Das wichtigste ist zunächst einmal das Thema bezahlbarer Wohnraum in Münster. Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass deutlich mehr Arbeitsplätze entstanden sind. Zwölf Prozent mehr Wohnungen in Münster. Das führt wiederum zu Verkehrsproblemen. Wir erleben eine Zentrifugentendenz. Das heißt, Leute mit kleinem und mittlerem Einkommen werden aus der Stadt verdrängt und müssen sich Wohnraum am Stadtrand oder gar im Umland suchen. Das ist für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt nicht günstig. Deshalb sagen wir, es muss deutlich mehr sozialer Wohnraum geschaffen werden. Wir haben in den letzten Jahren viel über neue Wohngebiete geredet, aber nichts umgesetzt. CDU und Grüne haben beim Thema Kasernenfläche nichts auf die Kette bekommen. Dort sollten die Leute schon 2017 einziehen. An der Eissporthalle ist ebenfalls nichts passiert. Genauso wie am Osmo-Gelände und an der Steinfurterstr./ Wasserweg. Das sind riesige Wohnareale, die alle in der Baulandentwicklung drinstanden. Und genau das merkt man jetzt. Wenn die Kaufpreise Richtung 7.000 Euro den Quadratmeter gehen und die Mieten deutlich über 15 Euro den Quadratmeter, dann läuft irgendwas schief. Dann können sich irgendwann auch Menschen mit mittlerem oder gutem Einkommen in Münster nichts mehr leisten. Da möchten wir jetzt umsteuern indem wir sagen, wir brauchen jetzt neue Wohnungen in größeren geschlossenen Gebieten und nicht nur kleine Nachverdichtungsprojekte mit 40-50 Wohneinheiten, sondern tatsächlich 2.000 oder mehr.

 

stadt4.0: Wie soll das umgesetzt werden?

 

Jung: Wir würden jetzt natürlich gerne die Kasernenprojekte umsetzen. Aber da haben wir ja bereits fünf Jahre Verzögerung. Das heißt, wir müssen jetzt auch sehen, dass wir neue Wohngebiete erschließen. Wir haben vorgeschlagen, einen neuen Stadtteil zu planen. Zwischen Kanal und Umgehungsstraße wollen wir das von der Verwaltung vorgeschlagene Gebiet deutliche erweitern um die Gasometerfläche, die Baumarktfläche und auf der anderen Seite des Lütkenbecker Weges die alten Industrieanlagen und Gewerbeflächen überplanen und somit zu deutlich mehr Wohnungen kommen als von der Verwaltung bisher geplant. Und wir wollen an der Steinfurter Straße die Anzahl von Wohnungen zu Lasten von Büros erhöhen. Das heißt auch, da sollen mehr Wohnungen entstehen. Das ist unser Ansatz und ich glaube, dass wenn wir es darüber hinaus schaffen, Hiltrup-Ost zu entwickeln, wir dann für die nächste Wahlperiode eine Trendwende beim Thema Wohnen bewirken.

 

stadt4.0: Seit längerem werden einige wenige Großprojekte in Münster zum Teil sehr emotional diskutiert. Wie stehen Sie zu Hafen-Markt und Musik-Campus?

 

Jung: Oder das Preußenstadion und die Bäderlandschaft in Münster um weitere Beispiele zu nennen. Beim Musik-Campus sehen wir keine Realisierungsperspektive. Wir halten das für sehr unausgegoren. Da gibt es keine Finanzierungszusagen von Bund oder Land und eine städtische Belastung von deutlich über 45-60 Million Euro. Da sehen wir im Moment nicht, wie das bewirkt werden soll. Wir könnten uns hingegen ein städtisches Projekt vorstellen. Am Hörsterparkplatz kann man für Volkshochschule und Musikschule einen  gemeinsamen Neubau errichten, mit einem privat finanzierten Musiksaal. Das ist für uns darstellbar. Der Rest scheint uns doch sehr überdimensional zu sein. Beim Hafen-Center glauben wir, dass wir mit der Reduzierung der Verkaufsfläche und dem neuen Konzept als Markthalle schon einen guten Vorschlag gemacht haben, der auch umsetzbar ist und der auch besser in das Viertel reinpasst. Der vor allem auch verhindert, dass dort eine Bauruine steht. Für das Preußenstation gilt aus unserer Sicht die Zusage der Stadt, dass sie für ihre eigene Immobilie verantwortlich ist und deswegen das Stadion auch mittelfristig sanieren muss. Damit muss in der nächsten Wahlperiode begonnen werden. Aus unserer Sicht ist auch die Bäderlandschaft in Münster eine der größten Baustellen und auch überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Wir haben im Westen der Stadt eine riesen Lücke die geschlossen werden muss. Zudem glauben wir, dass es eine konzeptuelle Lücke gibt. Münster muss, wie viele andere Städte auch, mehr vorweisen als nur 25-Meter-Bahnen. Es muss 50-Meter-Bahnen geben und einen Familien- und Freizeitbereich – am besten alles unter einem Dach in Form eines Familien- und Freizeitbades, wie es dies bereits in umliegenden Kommunen gibt. Es muss deutlich mehr in die Attraktivität der Bäderlandschaft investiert werden. Weniger Musik-Campus, mehr Investitionen in die Bäder. Das ist unsere Ansage!

 

stadt4.0: Haben sich durch die Corona-Pandemie die Prioritäten in Ihrem Wahlprogramm geändert?

 

Jung: Wir haben in unserem Wahlprogramm im Vorwort die aus unserer Sicht notwendigen Sofort-Maßnahmen skizziert. Das gilt vor allem für den Bildungs- und Kulturbereich, aber auch für die Wirtschaft. Wir sagen, wir müssen Konsequenzen ziehen aus der mangelhaften Versorgung von Schülerinnen und Schülern in Münster mit digitalen Endgeräten. Wir müssen deutlich mehr Tablets für die Schulen zur Verfügung stellen. Wir haben uns auf Sofort-Hilfen für den Kulturbereich geeinigt, für die wir zwei Millionen Euro zur Verfügung stellen wollen. Damit wollen wir verhindern, dass Strukturen zusammenbrechen, die wir nie wieder aufgebaut bekommen. Und der letzte Punkt ist, wo kann die Stadt Unternehmen, die durch die Krise besonders betroffen sind, weiterhelfen? Das gilt besonders für die Gastronomie. Da haben wir beispielsweise eine Ausweitung der Außengastronomie und eine Aussetzung der entsprechenden Gebühr dafür beschlossen. Zudem haben wir eine Aussetzung der Vergnügungssteuer, das betrifft die Clubs in Münster, beschlossen. Das sind bescheidene Maßnahmen, ich glaube aber, dass wir darüber hinaus, aber vor allem über den investiven Bereich, reden müssen, sodass wir weiterhin Aufträge an Unternehmen in Münster und in der Region vergeben können, damit die Stadt über den investiven Bereich nicht nur etwas für die kommunale Leistung tut, sondern auch Aufträge an die lokale Wirtschaft vergibt.

 

stadt4.0: Wie kann man Münster zukunftsfähig machen? Stichwort Digitalisierung.

 

Jung:Im Bereich Digitalisierung geht es vor allem erst mal um die Breitbandversorgung der Stadt, die wir deutlich ausbauen müssen. Das ist im Übrigen auch ein sehr wichtiger Punkt bei der Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Münster, dass wir hier hoch verfügbare Breitbandverbindung bekommen. Ich bin deswegen dafür, dass Stadtwerke und Telekom das in einem Joint-Venture gemeinsam machen und dafür dann auch sorgen, dass das Breitband in der ganzen Stadt verfügbar ist. Wir haben ja bisher ein Modell gehabt, indem die Stadtwerke individuell geguckt haben, wo das benötigt wird. Ich glaube nicht, dass das die richtige Strategie ist und das wir in der Tat, Stadt und Telekom gemeinsam - die Telekom ist hier der potenteste Partner - eine Strategie entwickeln müssen, um die gesamte Stadt mit Breitband zu versorgen. Da muss deutlich mehr passieren und da sehe ich Münster auch im Städtevergleich in NRW ein ganzes Stück hinter anderen. Da stehen wir zehn Jahre hinter Gelsenkirchen und da müssen wir dringen aufholen.

 

stadt4.0: Vielen Dank für das Gespräch.

Foto: SPD