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Ich möchte heute kein Kind sein

Immer wieder sprechen die Erwachsenen oder sogar die noch älteren davon, wie leicht es due Jugend von heute haben müsse. Im Internet könne man alles nachschauen, der Kühlschrank ist nie leer und das größte Problem ist, dass der Akku immer geladen sein müsse. Stimmt das?


Als jemand, der selbst vor nicht allzu langer Zeit sein Abi nachholte, just mitten im Studium feststeckt und die 30 bereits weit überschritten hat, kenne ich mich auf beiden Meinungsseiten aus und erdreiste mich, mir eine öffentliche Meinung zu bilden.

 

Gewiss, das Internet ist echt praktisch, alles, was man wissen muss und können sollte, lässt sich in digitalen Niederungen mit nur wenigen Klicken auffinden. Allerdings ist das Wissen da meist nicht alleine, sondern es finden sich allerhand unnütze „Warheiten“ rund herum. Woher weiß man allerdings, wenn man noch nicht sehr viel weiß, was die Information ist, die für mich wichtig zu sein hat?

 

An diesem Beispiel zeigt sich bereits, dass sich vieles durch die digitale Revolution auch im Alltag von Kindern und Jugendlichen geändert hat. Sie müssen andere Dinge wissen und können, wie die Generation ihrer Eltern, was aber nicht heißt, dass sie das, was vormals wichtig war, ignorieren dürfen. Sie brauchen die Schlüssel für die Unterscheidung in richtig und falsch viel klarer definiert als alle Generationen davor. Einen Kompass, der sie durch all das hindurch schleußt, was sich in den Prozessen der Wahrheitsfindung auf dem ganzen Erdball angesammelt haben. Dabei sind die richtigen Browoser, Kürzel, Erkennungszeichen und viel neutraler „Sachverstand“, um für alles die seriöse Quelle zu finden, zumal alles andere interessanter gestaltet ist. Man hat manchmal gar das Gefühl, dass sich das relevante Wissen besonders viel Mühe gibt, unattraktiv daher zu kommen. Und jetzt macht man „dem User“ den Vorwurf, vor Youtube zu landen. Ist das ein wunder? Wenn Ihnen vor 30 Jahren, die „Bravo“ und das Mathebuch gleichzeitig zur Verfügung gestanden hätte und man es nicht auf den ersten Blick gesehen hätte, was sie da lesen, mit welcher Wahrscheinlichkeit hätten sie sich mit Algebra auseinander gesetzt?

 

Die Jugend von heute bekommt den ganzen Tag vorgelebt, was das Netz und die Welt könnten, wenn sie wollte und gleichzeitig, wie unfähig wir erwachsenen sind, das aktuelle „Jetzt“ unter Kontrolle zu bekommen. Die ersten Sätze nach „hast Du gut geschlafen?“ sind „Hast du alle Aufgaben gemacht und mit?“ Habt Ihr heute 7 oder 8 stunden?  Ach ja, heute ist Donnerstag, da habt ihr ja neun“. Und wir sprechen hier nicht von 17 oder achtzehn Jährigen, sondern durchaus von 12 – 15-Jährigen.

 

Wo Mama und Papa früher die Hausaufgaben im Bus gemacht haben, muss heute kurz nach der Fertigstellung die Nachhilfe drüber gucken, denn ob das Kind will oder nicht, Gymnasium ist Pflicht. Auch wenn die Eltern nicht darauf bestehen, alle Bereiche der Gegenwart bläuen es jedem ein. Entweder Abi oder Nichts. Ob man handwerklich begabt ist, oder kreativ oder sonst eine enorme Qualität besitzen, in der Welt des modernen Individualismus wird man zur einheitlichen Instanz in der Masse Menschmaschine integriert. Abi, Studium, Praktikum, Auslandssemester und danach einen Job mit Familie rund um den Erdball. Immer wieder flexible, immer wieder alles geben für den Boss, aber immer wieder auf Kosten der eigenen Lebensqualität. Vorbilder sind Menschen nur noch, wenn sie reich sind, nicht weil sie zu Überzeugungen stehen. Aber dieses denken haben sich die Jugendlichen nicht selbst ausgesucht. Sie wurden darein gezwungen. Determiniert von Eltern und einer Gesellschaft, die derzeit völlig mit allem überfordert ist.

 

Wie schön, dass man da auch hin und wieder einmal über einen niveaulosen Witz auf Youtube lachen kann, bei all dem ernst, der einem rundherum angeboten wird und doch nur eine Reminiszenz für das ist, wie es nicht laufen sollte.

Ich finde, dass haben sich unsere Lieben verdient, denn im Gegensatz zu uns, können sie spätestens ab der 7. Klasse kaum noch  die Eltern fragen, welche Antwort bei den Hausaufgaben richtig ist, denn erstens haben die Gefragten meist keine Zeit oder 2. Sie wissen es auch nur, wenn sie nochmal im Netz nachschauen und das kann das Kind ja auch noch allein.

 

Ja, wir lassen den Nachwuchs bei alle den 1000 Hobbies du Möglichkeiten mit sich allein. Es hat ja alles was man braucht „ich wäre froh“, wenn ich mit 14 einen eigenen Rechner gehabt hätte“…

 

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wenn man Kinder fragen würde, ob sie sich über ein I-pad freuen würden, wenn die Alternative wäre, dass Papa bei jedem Handballspiel dabei ist, aber das kann ich auch nur vermuten. Ich möchte heute jedenfalls nicht mehr jung sein. Was hätte man der Zukunft Schlimmeres antun können, als in Ihr nicht mehr groß werden zu wollen?

 

Bild: Adolf Ulf Muenstermaann