Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Die fliegenden Kühe von Benedikt

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich nehme mir oft etwas vor und dann läuft es am Ende ganz anders, als ich mir das vorgenommen habe. Wieder hat mir der Zufall ein Schnippchen geschlagen. Wieder hatte das Schicksal etwas anderes mit mir vor. Aber, wie kann das sein?


Zufall, das ist ja, rein nüchtern betrachtet etwas, das sich ereignet, obwohl es völlig jenseits unserer Erwartungshaltung liegt. Und wir durften doch wirklich berechtigt, davon ausgehen, dass wir das Ergebnis kennen, oder nicht?! Und dennoch. Der geübteste Pianist spielt hin und wieder ein „c“, wo ein „a“ hingehört, der Wetterbericht stimmt nicht, und statt des erwarteten Mädchens, liegt plötzlich ein schreiender Junge in den Armen der glücklichen Eltern. Heißt das, wir sollten mit gar nichts mehr rechnen, weil es eh anders kommen kann, sollten wir auch auf alle Vorbereitungen verzichten, da wir ja doch im Entscheidungsfall das Risiko des „Falsch-Liegens“ treffen können?

 

Nicht ganz und ein bisschen schon. Der Zufall an sich lässt sich nicht erpressen, und wenn man, wie Nietzsche, konsequent davon ausgeht, dass das ganze Leben nur ein Kampf von Kräften ist, nur das eben jedes Mal eine andere Kraft gewinnt, scheint es, dass sich das Klavier-üben für den kleinen Benedikt erledigt hat (auch wenn das Ziel gut spielen war). Es sei denn, man nimmt den Zufall so, wie er ist. Als ein Produkt, oder an dieser Stelle besser ein Ergebnis von denen das auftauchen kann. Es muss also immer etwas passieren und das was passiert muss Teil der Möglichkeiten sein, die möglich sind, also der Potenz des Vorgegebenen entsprechen. Ein Beispiel fällt an dieser Stelle schwer, denn egal welches ist bringe, das "Kohärenzmaterial" ist größer. Kohärenz ist übrigens, wenn viele Ursachen für eine Wirkung zuständig sind. Und das ist genau der wichtige Punkt, es passiert eben das, was passieren kann, aufgrund dessen, was das „Dasein“ zulässt. Deshalb kann auch der Kaffee neben die Tasse gegossen werden, weil sie gerade an etwas anderes denken, aber nicht, weil sie an etwas anderes denken, sondern, weil es möglich ist, dass sie beispielsweise, wenn sie an etwas anderes denken, den Kaffee neben die Tasse gießen könnten. Sie könnten das aber auch, weil sie nur daran denken und sich so sehr darauf konzentrieren, dass sie schon wieder ein wichtiges Detail geistig übersehen haben oder nur, weil plötzlich jemand reinkommt und sie überrascht, damit haben sie nicht gerechnet, obwohl es möglich war.

 

Wir bezeichnen folglich etwas als Zufall, dass sich ereignet, weil wir in den gedanklichen Vorbereitungen etwas vergessen haben. Es wäre auch bei der Planung schon möglich gewesen, gedanklich in die Handlung Kaffee einzugießen, die Möglichkeit des „gestört-werden“ mit einzubeziehen. Und das würde auch die negativen Zufälle bestimmt reduzieren, wenn sie, wie Goethe es vorschlägt, sich bei jeder Handlung nur auf die eine konzentrieren und nie zwei „Dinge“ gleichzeitig  machen, auch nicht etwas tun und gleichzeitig die Handlung gedanklich kultivieren, denn wenn sie etwas automatisch richtig machen können, wird dieser Prozess von einem anderen Hirnareal bearbeitet und das stellt sich bei jeder Regung die Frage: warum denke ich da jetzt drüber nach, ich weiß doch wie das geht? Und weil das Gehirn bei derlei Gedanken immer an die möglichen Alternativen nur gewünschten Handlung denkt, kann man auch plötzlich etwas von diesen Handlungen ausführen, obwohl das gar nicht der Plan war.

 

Man kann also den Zufall insofern einplanen, indem man die Wahrscheinlichkeit dessen, was sich aus dem Jetzt ereignen kann minimiert, zumindest im Rahmen dessen, was möglich ist, denn ob plötzlich eine Kuh vorbei fliegt, weil ein Chinese beim Experimentieren die Gravitation überwunden hat, wissen sie nicht und können sie nicht wissen, also auch nicht mit einbeziehen. Deshalb wird es den Zufall immer geben, obwohl es ihn eigentlich gar nicht gibt, denn alles beruht auf einer logischen kausalen Beziehung, die wir nur nicht komplett selbst bestimmen können.

 

Den Zufall gibt es also nicht, weil alles in unserer kleinen Kausalen Welt genau festgelegt ist, was passiert, wenn sich vorher etwas ereignet hat, das Problem ist nur, das sich vorher schon so viel ereignet hat und parallel zur eigenen Handlung ähnlich viel passiert, das Einfluss auf mein Ergebnis hat, das ich exakt gar nicht vorhersehen konnte.

 

Sollte man also immer mit dem Unmöglichen rechnen. Nein, ich glaube, dass ist keine gute Idee, denn wer täglich auf die fliegende Kuh wartet, sollte in der Regel enttäuscht werden, denn selbst wenn, ist es nur beim ersten Mal etwas wirklich Besonderes. Klüger ist es vielleicht, wie die Stoa vorschlägt: Nimm das was passiert, als das, was passieren sollte, denn das kann man eh nicht mehr ändern, aber versuche immer das nächste Jetzt mit allem was dir möglich ist zu erreichen und wenn es dann nicht den Erwartungen entspricht? Am besten freuen, denn das ist immer klüger, als dem negativen Zufall mit Wirkungen von negativen Gedanken wie Wut provoziert werden kann.


Bild: Adolf Ulf Muenstermann