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Der Fall Wirecard erfordert neues Prüfverfahren

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will als Konsequenz aus dem Wirecard-Bilanzskandal die deutsche Finanzaufsicht umbauen. Es sei jetzt die Aufgabe des Gesetzgebers, "die Schutzmechanismen zu überprüfen und zu verbessern", sagte Scholz

 "Niemand sollte bloß die Luft anhalten und hoffen, dass nichts passiert. Wir müssen in allen Bereichen klären, was schief gelaufen ist." Die Opposition kritisierte den Vorstoß als unzureichend.

Zu den nötigen Maßnahmen zählt Scholz ein unmittelbares Durchgriffsrecht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und eine Abschaffung des bisherigen zweistufigen Prüfverfahrens. Die Bafin brauche "die Möglichkeit, jederzeit Sonderprüfungen in großem Umfang durchführen zu können", sagte der Minister. "Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Bafin mehr Geld, mehr Stellen und mehr Kompetenzen benötigt, werde ich mich dafür einsetzen, dass das passiert."

Scholz führte aus, zudem wolle er der Behörde "mehr Durchgriffsrechte bei der Kontrolle von Bilanzen geben, unabhängig davon, ob der Konzern eine Banksparte hat oder nicht". Große Zahlungsdienstleister sollten generell der Finanzaufsicht unterliegen. 

Veränderungen prüft Scholz auch bei den Wirtschaftsprüfern, denen die Manipulationen bei Wirecard jahrelang nicht aufgefallen waren. "Es wird zu diskutieren sein, ob Wirtschaftsprüfer häufiger rotieren müssen", sagte er der "FAS".  Auch sei zu überlegen, "ob es funktioniert, wenn eine Gesellschaft ein Unternehmen gleichzeitig berät und prüft". 

Die Einführung einer höheren Haftung der Wirtschaftsprüfer sieht Scholz allerdings skeptisch. "Wenn die Idee einer höheren Haftung nur die Ausrede dafür ist, sonst nichts zu tun, dann ist das kein kluger Weg", warnte er. 

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, begrüßte den Vorstoß von Scholz. De Masi mahnte aber neben einer besseren personellen und technologischen Ausstattung der Bafin eine Verankerung der Aufsicht über "systemrelevante Finanzkonzerne" auf europäischer Ebene an. "Auch die Trennung zwischen Beratung und Prüfung ist sinnvoll".

Für die FDP gehen die Vorschläge zwar in die richtige Richtung. "Allerdings springt Scholz deutlich zu kurz", sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Florian Toncar, dem "Handelsblatt". "Am wichtigsten wäre, dass die Koalition dafür sorgt, dass die Bafin sich wirklich effektiv um die großen Risiken kümmern kann und sich nicht im Klein-Klein verzettelt." 

Es wäre geradezu die "Spitze der Absurdität, wenn die Bafin nach diesem Skandal jetzt auch noch die Aufsicht über 38.000 kleine, meist selbstständige Finanzvermittler übernehmen würde", warnte Toncar. Deshalb müsse Scholz einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Regulierung der Anlagevermittler sofort stoppen.

Wirecard hat eingestanden, dass in der Jahresbilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen und das Geld bei zwei philippinischen Banken vermutlich gar nicht existiert. Der Börsenkurs des Dax-Konzerns stürzte ab, das Unternehmen meldete Insolvenz an. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat sich inzwischen der Justiz gestellt. 

Der Aufenthaltsort des ehemaligen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek ist hingegen weiter unbekannt. Er hatte über seinen Anwalt erklären lassen, sich nicht der Justiz stellen zu wollen.

Unterdessen wurde bekannt, dass philippinische Einwanderungsbeamte Daten gefälscht haben, um die Einreise Marsaleks vorzutäuschen. Gegen die Beamten werde nun ermittelt, erklärte der philippinische Justizminister Menardo Guevarra. Laut der Datenbank der philippinischen Einwanderungsbehörde reiste Marsalek einen Tag nach seiner Entlassung am 23. Juni auf die Philippinen ein und verließ das Land am 24. Juni Richtung China. Aus Aufnahmen von Überwachungskameras, Verzeichnissen von Fluggesellschaften und anderen Unterlagen gehe jedoch hervor, dass Marsalek an diesen Tagen gar nicht im Land war, erklärte Guevarra.

muk/ck

© Agence France-Presse