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Prozess im Fall des ermordeten Jamal Khashoggi

Lediglich die Türkei und die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats durften ab und an Beobachter zu dem Prozess entsenden, aber nichts über dessen Inhalte bekanntmachen.


Zum Prozessauftakt im Fall des ermordeten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi sind neue Einzelheiten ans Licht gekommen. Türkei-Repräsentant Erol Önderoglu nahm an der dreieinhalb Stunden dauernden Anhörung von acht Zeugen persönlich teil. Insgesamt wird 20 saudi-arabischen Staatsbürgern vorgeworfen, an der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat des Königreiches in Istanbul 2018 beteiligt gewesen zu sein, keiner von ihnen war während der Anhörung physisch anwesend.

Stattdessen sprachen die Verlobte des Getöteten, Hatice Cengiz, und acht Zeugen, darunter Konsulatsmitarbeitende, die Auskunft gaben, was mit Khashoggis Leiche passiert sein könnte. Es wird davon ausgegangen, dass sie noch vor Ort zerstückelt und dann weggebracht wurde.

"Es ist merkwürdig, dass unsere einzige Hoffnung auf Gerechtigkeit bei den türkischen Gerichten liegt. Gerade die Türkei benötigt dringend Reformen im Hinblick auf die Pressefreiheit, aber die Eröffnung dieses Prozesses ist dennoch ein positiver Schritt“, sagte RSF-Türkei-Repräsentant Erol Önderoglu. „Wir werden den Prozess weiterhin genau beobachten und fordern Transparenz und die Einhaltung internationaler Standards für rechtsstaatliche Verfahren."

Die 20 Angeklagten, die wegen Anstiftung zum Mord an Khashoggi oder dessen Ausführung angeklagt sind, wurden in ihrer Abwesenheit von Anwälten vertreten, die von der Istanbuler Anwaltskammer ernannt wurden. Das Gericht in Caglayan entschied, dass die internationalen Haftbefehle gegen die Verdächtigen bis zur nächsten Gerichtsverhandlung offen bleiben und dass die Suche nach den Angeklagten über Interpol mit einer sogenannten „red notice“ erneuert werden soll. Das Gericht verwarnte zudem Zeugen, die nicht gekommen waren, und wies sie an, bei der nächsten Anhörung erscheinen zu müssen. Diese wurde für den 24. November angesetzt.

Auch die UN- Sonderberichterstatterin zu außergerichtlichen Hinrichtungen, Agnes Callamard, verfolgte den Prozessauftakt. Nachdem die saudi-arabische Justiz 2019 elf Männern unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Prozess gemacht hatte, hatte Callamard ein neues, rechtsstaatliches Verfahren gefordert. Lediglich die Türkei und die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats durften ab und an Beobachter zu dem Prozess entsenden, aber nichts über dessen Inhalte bekanntmachen. Fünf der Männer wurden zum Tode verurteilt, drei weitere erhielten Gefängnisstrafen.

Im Mai 2020 verkündeten die Söhne Khashoggis auf Twitter, dass sie den Tätern verzeihen. Das ebnet den Weg für ihre wahrscheinliche Begnadigung und Freilassung. Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz hingegen erklärte, dass „niemand das Recht hat, seine Mörder zu begnadigen“. RSF befürwortet in keinem Fall die Todesstrafe. Im Gegensatz zu dem geheimen Prozess in Saudi-Arabien wurde in Istanbul eine Handvoll Journalistinnen und Journalisten zur Anhörung zugelassen. Diplomatinnen und Diplomaten anderer Länder nahmen nicht teil, obwohl zivilgesellschaftliche Gruppen dies gefordert hatten. RSF setzt sich auch weiterhin für Gerechtigkeit für Jamal Khashoggi und die Freilassung der 32 zu Unrecht im Land inhaftierten Medienschaffenden ein.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz 170, die Türkei auf Platz 154 von 180 Staaten.