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Das Volk gegen die Regierung

Tausende Israelis protestieren gegen Notregierung von Netanjahu und Gantz


Tausende Israelis haben gegen die geplante Notregierung der nationalen Einheit von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seines ehemaligen Rivalen Benny Gantz protestiert. Israelischen Medienberichten zufolge versammelten sich am Samstagabend rund 2000 Demonstranten auf dem Jizchak-Rabin-Platz in Tel Aviv. Die überwiegend schwarz gekleideten Demonstranten trugen Atemschutzmasken und hielten untereinander den wegen der Corona-Pandemie vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von zwei Metern ein.

Der Protest richtet sich gegen die am Montag beschlossene gemeinsame Regierung zwischen dem wegen Korruption angeklagten Likud-Chef Netanjahu und dem Chef der Liste Blau-Weiß, Ex-Armeechef Gantz. Die Demonstranten hielten Protestschilder hoch mit der Aufschrift "Das Volk gegen die Regierung" und skandierten Protestrufe wie "Korruption". Sie schwenkten schwarze Banner und israelische Flaggen.

Ursprünglich hatte Gantz eine Beteiligung an einer Regierung mit dem unter Korruptionsanklage stehenden Netanjahu strikt abgelehnt. Angesichts der Coronavirus-Pandemie vollzog er jedoch eine Kehrtwende. Das Abkommen sieht vor, dass Netanjahu und Gantz als Ministerpräsidenten rotieren. Demnach bleibt Netanjahu eineinhalb Jahre lang weiter an der Spitze der Regierung, danach löst ihn Gantz für weitere eineinhalb Jahre ab. Gantz soll zunächst das Amt des Verteidigungsministers übernehmen.

Israel steckt seit mehr als einem Jahr in einer politischen Krise und hat seither keine voll funktionsfähige Regierung. Drei Parlamentswahlen, die letzte am 2. März dieses Jahres, brachten weder für Netanjahus rechtsgerichtete Likud-Partei noch für die Liste Blau-Weiß eine klare Mehrheit. Alle Versuche zur Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition scheiterten, zweimal wurden Neuwahlen angesetzt.

Der seit 14 Jahren in Israel regierende Netanjahu steht wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue unter Anklage. Er streitet alle Vorwürfe ab und sieht sich als Opfer der Staatsanwaltschaft und der Medien. Der Korruptionsprozess gegen ihn hätte eigentlich Mitte März beginnen sollen, wurde aber wegen der Coronavirus-Pandemie um zwei Monate auf den 24. Mai verschoben.

Schon vor einer Woche hatten in Tel Aviv tausende Menschen gegen eine erneute Regierung unter Beteiligung von Netanjahu protestiert. Gantz hatte seinen Pakt mit dem korruptionsverdächtigen Langzeit-Regierungschef am Freitag als "verantwortungsvollen und gerechten" Schritt verteidigt. "Ob es eine gute Entscheidung war oder nicht, wird die Geschichte zeigen", schrieb er auf Facebook.

amd/gt

© Agence France-Presse