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Interview mit Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Alle blicken darauf, wie wehrfähig und wehrwillig Europa ist.

Das FDP-Präsidiumsmitglied und die Spitzenkandidatin zur Europawahl Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann gab dem „Münchner Merkur online“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Marcus Mäckler und Kathrin Braun:

Frage: Frau Strack-Zimmermann, warum wehrt sich Scholz bei der Taurus-Frage?

Strack-Zimmermann: Das müssen Sie ihn fragen. Eine Zusage, den Taurus der Ukraine zu überlassen, um den russischen Nachschub zu unterbinden, wäre besonders angesichts der Ermordung Alexej Nawalnys die richtige Antwort gewesen. Es ist bedauerlich, dass der Taurus zum Synonym dafür geworden ist, wer sich in der Politik durchsetzt. Nicht das ist relevant, sondern einzig und allein das Überleben der Ukraine.

Frage: Bei all den Krisen verliert man inzwischen den Überblick, welcher Brand zuerst gelöscht gehört…

Strack-Zimmermann: Alles hängt mit allem zusammen. Der brutale völkerrechtswidrige Überfall Russlands unter Wladimir Putin auf die Ukraine hat die ganze Welt ins Eiern gebracht. Daher gehört dieser Brand zuerst bekämpft, der die ganzen Unruhen zu verantworten hat. Wenn Putin diesen Krieg verliert, dann nimmt man das auch in den Ländern der Erde wahr, die unser Leben in Freiheit nicht akzeptieren oder sogar bekämpfen. Alle blicken auf Europa, wie wehrfähig und wehrwillig es ist. Deshalb müssen wir die Ukraine mit allem, was wir haben, weiter unterstützen.

Frage: Sie haben auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit Republikanern gesprochen. Wird uns ein Präsident Trump fallen lassen?

Strack-Zimmermann: Die Republikaner fallen ihrem möglichen Präsidentschaftskandidaten nicht in den Rücken. Zwischen den Zeilen merkt man, dass einige Trumps Aussagen zur Nato kritisch sehen. Sie geben aber zu verstehen, dass bei aller transatlantischen Freundschaft – an die auch ich glaube – die Amerikaner erwarten, dass wir deutlich mehr für unsere Verteidigung tun müssen. Ich halte das für nachvollziehbar, schließlich finden die großen Krisen vor der europäischen Haustüre statt und nicht auf der anderen Seite des Atlantiks.

Frage: Muss Europa lernen, sich selbst zu verteidigen?

Strack-Zimmermann: Selbstverständlich. Gerade unter dem Vorzeichen, dass Europa nicht mehr 100 Prozent auf die Unterstützung der USA bauen kann. Dieses Szenario ist realistisch und man sollte sich darauf vorbereiten. Aber nicht jede mögliche Lage gehört im Detail in die Öffentlichkeit. Es geht schließlich um die Sicherheit des europäischen Kontinents.

Frage: Sie meinen die Debatte über europäische Atomwaffen?

Strack-Zimmermann: Wir können über vieles diskutieren, etwa über die Lieferung von Panzern oder Marschflugkörpern an die Ukraine – auch, wenn man sich in dem Metier weniger auskennt. Die Atombombe aber sollte im Gegensatz zu konventionellen Waffen eben nie zum Einsatz kommen. Wir reden von einem Massenvernichtungsmittel. Fachleute werden Ihnen erklären, um welch strategisch komplexe Abschreckung es sich dabei handelt.

Frage: Wie konnte uns Trump derart in Panik versetzen?

Strack-Zimmermann: Wir haben erlebt, wie unberechenbar Trump ist. Die westliche Welt hat sich daran gewöhnt, seit Ende des Zweiten Weltkrieges im Schutze dieses großen Verbündeten zu leben. Dass Zeitenwende auch bedeutet, dass diese sicherheitspolitische Selbstverständlichkeit wegfallen könnte, ist natürlich furchteinflößend.

Frage: Sie fordern ja schon lange eine Europaarmee.

Strack-Zimmermann: Wir sollten uns an die Vorstellung gewöhnen und uns Schritt für Schritt auf den Weg machen. Das Thema Sicherheit liegt grundsätzlich in nationaler Verantwortung. Es gibt aber bereits vielfältige bilaterale militärische Zusammenarbeit. Die Niederlande und Deutschland oder die deutsch-französische Brigade sind sehr gute Beispiele dafür. Im Laufe der Zeit könnten andere EU-Staaten andocken. Eine Europaarmee ist selbstverständlich nichts, was übers Knie gebrochen werden kann.

Frage: Was fordern Sie konkret?

Strack-Zimmermann: Eine entsprechende Kommandostruktur und eine gemeinsame Beschaffung von militärischem Gerät. Alles nicht profan. Wir sollten nach der Europawahl mit einem vollwertigen Verteidigungs- und Sicherheitsausschuss starten – sowie mit einem Kommissar oder einer Kommissarin, die sich dieses großen Themas annimmt.

Biografie

Geboren am 10. März 1958 in Düsseldorf; Geburtsname Marie-Agnes Jahn, römisch-katholisch; verheiratet; drei Kinder.

1978 Abitur am Mataré-Gymnasium in Meerbusch. 1978 bis 1983 Studium der Publizistik, Politikwissenschaft und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) (Abschluss: Magister Artium). 1986 Promotion zum Dr. phil. an der LMU mit der dort eingereichten Arbeit „Bilder aus Amerika: Eine zeitungswissenschaftliche Studie“ über die USA-Berichterstattung im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). 1988 bis 2008 selbstständige Verlagsrepräsentantin des TESSLOF Jugendbuchverlages. 1999 bis 2004 Bezirksvertreterin in der Bezirksversammlung im Stadtbezirk 7 (Düsseldorf). Seit 2004 Mitglied im Rat der Stadt Düsseldorf. 2005 bis 2009 und 2014 bis 2017 Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion, 2009 bis 2014 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. 2008 bis 2014 Erste Bürgermeisterin und Stellvertreterin des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Düsseldorf. 2009 bis 2014 stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland. 2014 bis 2018 dort stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion. 2020 Oberbürgermeisterkandidatin der FDP in Düsseldorf. Seit 2014 Vorsitzende des FDP Kreisverbands Düsseldorf. 2013 bis 2019 stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende. Seit 2019 Mitglied im Bundesvorstand der FDP. Mitglied des Vorstands des FDP Bezirksverbandes Düsseldorf sowie Mitglied Kraft Amtes im Landesvorstand der FDP Nordrhein-Westfalen.

Seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. In der 19.WP. ordentliches Mitglied des Verteidigungsausschusses, des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen sowie stellvertretendes Mitglied des Innenausschusses. Verteidigungspolitische Sprecherin und Sprecherin für Kommunalpolitik der FDP-Bundestagsfraktion. Vorsitzende der Arbeitsgruppe Verteidigung und der AG Kommunalpolitik der Fraktion sowie Mitglied der AG Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Mitglied im 1. Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses. Stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO. In der 20. WP. Ordentliches Mitglied und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, stellvertretendes Mitglied des Innenausschusses und ordentliches Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO. Vizepräsidentin der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und Mitglied des Beirats der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Stiftungsratsvorsitzende der Stiftung Lebendige Stadt, Vorsitzende des Kuratoriums der FOM Hochschule für Ökonomie und Management Düsseldorf, Mitglied des Rotary Clubs Düsseldorf-Karlstadt, Mitglied im Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e. V., Mitglied bei Fortuna Düsseldorf 1895 e. V. Schirmherrin des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Düsseldorf. Seit September 2023 Mitglied des FDP-Präsidiums.

[Anmerkung der Redaktion: Die biografischen Angaben beruhen auf den Selbstauskünften der Abgeordneten.]


Bild: Dr.Marie-Agnes Strack-Zimmermann / Jasco Denzel