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Kritik an Michels Plänen

EU-Ratspräsident Charles Michel will bei der Europawahl kandidieren und bei einer Wahl ins Parlament mehrere Monate vor Ende seines Mandats zurücktreten.

"Ich habe beschlossen, bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 zu kandidieren", sagte er am Sonntag belgischen Zeitungen. Er werde sein Amt als Ratspräsident noch fortsetzen, "bis ich am 16. Juli als Mitglied des Europäischen Parlaments vereidigt werde". Sein geplanter Abgang rief Kritik hervor. 

Michel tritt den Medien zufolge an der Spitze der französischsprachigen liberalen Partei Mouvement Réformateur (MR) an. Vier Jahre nach Beginn seiner Amtszeit als EU-Ratspräsident sei es seine "Verantwortung, sowohl Rechenschaft über die Arbeit der vergangenen Jahre abzulegen als auch ein Projekt für die Zukunft Europas voranzutreiben", begründete der 48-Jährige seine Entscheidung. 

Für die Zeit unmittelbar nach der Europawahl ist ein Treffen des Europäischen Rats angesetzt. Zu diesem Zeitpunkt werde das Gremium der Staats- und Regierungschefs entscheiden müssen, wann sein Nachfolger das Amt antreten werden, erklärte Michel. Das Mandat des Belgiers läuft eigentlich noch bis Ende November.

Das geplante vorzeitige Ausscheiden sorgt für Kritik - auch unter Liberalen. Nach EU-Regeln würde der Staats- oder Regierungschef des Mitgliedslandes, welches zu diesem Zeitpunkt den wechselnden Vorsitz im Europäischen Rat innehat, den Posten des Ratspräsidenten bis Ende November übernehmen. Das wäre nach jetzigem Stand der rechtsnationalistische Ministerpräsident von Ungarn, Viktor Orban - der einzige EU-Staatenlenker, der nach Russlands Einmarsch in die Ukraine weiter enge Verbindungen zum Kreml unterhält.

Die niederländische Europaabgeordnete Sophie in't Veld von der liberalen Fraktion Renew Europe machte Michel im Onlinedienst X Vorwürfe: "Der Kapitän verlässt das Schiff inmitten eines Sturms", schrieb die Parlamentarierin. "Wenn Sie sich so wenig für das Schicksal der Europäischen Union engagieren, wie glaubwürdig sind Sie dann als Kandidat?" 

Der Belgier Michel hatte im Jahr 2019 die Nachfolge von Donald Tusk als EU-Ratspräsident angetreten. Der Posten des Ratspräsidenten wurde vor rund 15 Jahren mit dem Vertrag von Lissabon eingerichtet, um der EU mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Dem Amtsinhaber obliegt die Vorbereitung und Leitung der EU-Gipfel, zu denen sich die 27 Staats- und Regierungschefs in der Regel in Brüssel treffen.

Die Europawahl findet vom 6. bis 9. Juni statt. Bei der weltweit größten länderübergreifenden Wahl bestimmen mehr als 400 Millionen Wahlberechtigte aus 27 EU-Ländern die 720 Mitglieder des Europäischen Parlaments für eine Amtszeit von fünf Jahren. Nach der Wahl werden auch die Spitzen der EU-Kommission und des Rates neu besetzt.

oer/jes/pe


© Agence France-Presse