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Darf GDL überhaupt Tarifverträge abschließen?

Bahn spricht GDL wegen Gründung von Leiharbeitsgenossenschaft Tariffähigkeit ab

Die Deutsche Bahn hat der Lokführergewerkschaft GDL inmitten der laufenden Tarifrunde die Berechtigung zum Abschluss von Tarifverträgen abgesprochen. Die GDL habe durch die Gründung einer Leiharbeitsfirma im vergangenen Jahr ihre "Tariffähigkeit" verwirkt, erklärte der Konzern am Mittwoch. Zur Klärung reichte die Bahn eine Feststellungsklage beim Hessischen Landesarbeitsgericht ein. Die Wirksamkeit eines eventuellen Tarifabschlusses sowie die Rechtmäßigkeit von Streiks in der laufenden Tarifrunde stehen demnach in Frage.

Hintergrund ist die Gründung der Genossenschaft Fair Train zur Entsendung von Arbeitskräften, welche die GDL bei der Vorstellung ihrer Kernforderungen für die Tarifrunde im Juni vergangenen Jahres vermeldet hatte. Fair Train soll Lokführerinnen und Lokführer insbesondere bei der Bahn abwerben, als Leiharbeitskräfte einstellen und dann zu den eigenen Konditionen wieder der Bahn oder anderen Transportunternehmen überlassen.

Fair Train fungiere als "Personaldienstleister im Genossenschaftsmodell" unabhängig von der GDL, hatte Gewerkschaftschef Claus Weselsky dazu im Sommer gesagt. Im September erhielt die Genossenschaft von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und sucht seitdem nach Personal. Im Oktober schloss sie in Tarifverhandlungen mit der GDL einen Tarifvertrag ab.

Die Bahn bezweifelt die Unabhängigkeit der Genossenschaft und sieht schwere Interessenskonflikte: Die Führungsriegen von Fair Train und GDL seien personell weitgehend identisch. Die GDL trete so "gleichzeitig als Arbeitgeber und als Gewerkschaft auf", erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Sie habe "quasi mit sich selbst einen Tarifvertrag verhandelt und geschlossen", die sogenannte Gegnerunabhängigkeit der Gewerkschaft sei nicht mehr gewährt.

Auch bestimmte Tarifforderungen der GDL in den aktuellen Verhandlungen seien damit problematisch. Die Gewerkschaft setzt sich etwa für eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Beschäftigte im Schichtdienst von 38 auf 35 Stunden ein, was die Bahn unter Verweis auf den Fachkräftemangel ablehnt. Die schwierige Personallage ist auch Hintergrund des Fair-Train-Modells: Die GDL spekuliert darauf, dass die Bahn weiterhin auf die abgeworbenen Lokführer angewiesen wäre und diese als Leiharbeiter weiter beschäftigen würde.

Eine Reduzierung der Arbeitszeit verschärfe den Fachkräftemangel und stärke die Nachfrage nach Leiharbeitsfirmen und die Stellung der eigenen Leiharbeiter-Genossenschaft, erklärte die Bahn dazu. Außerdem wolle die GDL die Kündigungsfristen für Angestellte verkürzen, "damit Lokführer:innen schneller zur Fair Train wechseln können".

Sollte sich die Auffassung der DB gerichtlich bestätigen, könne die GDL weder Tarifverträge abschließen noch streiken, erklärte das Unternehmen weiter. Deshalb müsse dies nun geklärt werden. "Wir müssen rechtssicher wissen, ob wir einen handlungsfähigen Tarifpartner haben", erklärte Seiler. "Schließlich befinden wir uns in einer laufenden Tarifrunde."

Der Tarifkonflikt zwischen GDL und Bahn ist festgefahren - wichtigster Knackpunkt ist das Thema Arbeitszeitverkürzung. Am kommenden Wochenende endet ein von der Gewerkschaft ausgerufener Weihnachtsfrieden, somit drohen ab dem 8. Januar längere bundesweite Streiks.

Die GDL wollte sich zu der Feststellungsklage zunächst nicht äußern. Der Gewerkschaftsführung liege die Klageschrift noch nicht vor, sagte eine Sprecherin.

pe/hcy


© Agence France-Presse