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Lässt der Westen seine "Freunde" im Stich?

Verteidigungsminister Rustem Umerow warf Russland vor, bewusst auf zivile Wohngebiete zu zielen.

Russland hat die Ukraine erneut mit schweren Luftangriffen überzogen und dabei am Dienstag vor allem Kiew ins Visier genommen. In der Hauptstadt und ihrer Umgebung sowie im ostukrainischen Charkiw wurden nach Behördenangaben fünf Menschen getötet. Die russische Armee feuerte demnach knapp hundert Raketen ab. Die Ukraine reagierte mit Raketenangriffen auf die russische Grenzregion Belgorod, bei denen russischen Angaben zufolge ein Mann getötet wurde.

Verteidigungsminister Rustem Umerow warf Russland vor, bewusst auf zivile Wohngebiete zu zielen. Dagegen erklärte Moskau, Ziel der Angriffe seien militärische Einrichtungen gewesen. Alle anvisierten Ziele seien "zerstört" worden.

In Kiew wurde den Behördenangaben zufolge unter anderem ein Wohngebäude in einem Stadtviertel nahe des Zentrums getroffen, ein Feuer brach aus. Dabei seien zwei Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden. Zwei weitere Menschen starben bei Angriffen in der Umgebung von Kiew, zudem wurde in der ostukrainischen Stadt Charkiw eine 91-jährige Frau getötet, wie die dortigen Behörden meldeten.

Insgesamt feuerte Russland bei der Angriffswelle am Dienstagmorgen nach ukrainischen Angaben "99 Raketen verschiedenen Typs" ab. Davon seien 72 von der Luftabwehr abgeschossen worden, erklärte die ukrainische Armee. Eingeleitet wurde die massive russische Angriffswelle demnach mit rund 35 Drohnen, die alle abgeschossen wurden. 

Durch die Angriffe wurde laut dem staatlichen Energieversorger Ukrenergo auch das Stromnetz in Kiew und Umgebung schwer beschädigt. Mehr als 250.000 Menschen waren demnach ohne Strom.

Bei den russischen Angriffen seien mindestens 92 Menschen verletzt worden, erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er sprach von erneutem "russischen Terror" und dankte zugleich den westlichen Alliierten für die Lieferung von Luftabwehrsystemen. "Diese helfen, hunderte Leben jeden Tag und jede Nacht zu retten." 

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rief die Verbündeten Kiews seinerseits zu schnelleren Waffenlieferungen auf. Der Westen müsse auf die neuen russischen Angriffe "auf entschiedene Art reagieren", erklärte Kuleba. Vor allem müssten "zusätzliche Luftverteidigungssysteme und Kampfdrohnen aller Art" geliefert werden. Zudem benötige die ukrainische Armee mehr "Raketen mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern".

Angesichts der massiven Angriffe mehren sich in Deutschland die Forderungen nach einer Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. "Die Ukraine benötigt mehr Munition, mehr Ersatzteile und der Taurus muss sofort auf den Weg gebracht werden, um endlich den russischen Nachschub zu erschweren", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), dem Nachrichtenportal t-online. 

Ähnlich äußerte sich die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Sara Nanni. Auch die CSU-Landesgruppe im Bundestag will nach Informationen der "Augsburger Allgemeinen" bei ihrer traditionellen Winterklausur im oberbayerischen Kloster Seeon "die Lieferung von Taurus-Marschflugkörper an die ukrainische Armee" fordern.

Die Bundesregierung zögert nach wie vor, Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine zu liefern. Taurus hat eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern und würde der ukrainischen Armee damit Angriffe auf Waffendepots und Versorgungslinien auf russischem Staatsgebiet erleichtern. 

Die Befürchtungen, der Krieg zwischen Russland und der Ukraine könnte sich ausweiten und dabei auch die Nato hineinziehen, sind groß. Nachdem am vergangenen Freitag eine russische Rakete kurzzeitig in den polnischen Luftraum eingedrungen war, entsandte Polen am Dienstag erneut Kampfjets in die Grenzregion zur Ukraine. Zum Schutz des polnischen Luftraums seien "zwei Paare von F-16-Jets sowie ein Tankflugzeug der Verbündeten" im Einsatz, teilte die polnische Armee mit.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Montag angekündigt, die Angriffe auf militärische Ziele in der Ukraine als Reaktion auf Kiews Angriff auf die russische Stadt Belgorod verstärken zu wollen. Bei dem Angriff auf Belgorod waren nach Behördenangaben am Samstag 25 Menschen getötet worden. 

Am Dienstag wurde die Region Belgorod nach russischen Angaben erneut angegriffen. Alle ukrainischen Raketen seien zerstört worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Der Gouverneur der Grenzregion, Wjatscheslaw Gladkow, berichtete später von einem Toten und fünf Verletzten. 

Das russische Verteidigungsministerium gab auch bekannt, dass die russischen Truppen "versehentlich" ein eigenes Dorf rund 150 Kilometer vor der Grenze zur Ukraine beschossen hätten. Dabei habe es aber lediglich Gebäudeschäden gegeben.

ans/ck


Anna MALPAS / © Agence France-Presse