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Jüdische Gemeinden von Angriffen betroffen

Zentralrat-Umfrage: Ein Drittel der jüdischen Gemeinden von Angriffen betroffen

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland leiden unter spürbar wachsenden Anfeindungen. 

Dies ist das Ergebnis einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage, die der Zentralrat der Juden unter Führungspersönlichkeiten von 98 der 105 Jüdischen Gemeinden in Deutschland ausführte. Ein Drittel der Gemeinden habe demnach seit dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober "antisemitische Angriffe" erfahren, die von Schmierereien bis hin zu persönlichen Beleidigungen reichen, erklärte der Zentralrat.

Fast alle Gemeinden seien zudem unter wachsenden "psychischen Druck über Drohanrufe und Drohmails" geraten, hieß es in der Erklärung. Knapp 80 Prozent der Gemeindeführungen hätten angegeben, dass es seit dem 7. Oktober sichtbar unsicherer geworden sei, in Deutschland als Jude zu leben und sich vor allem so zu zeigen. Die aktuelle Lage bringe viele Gemeinden an die "Grenze der Belastungsfähigkeit".

"Das sind erschütternde Berichte", resümierte Zentralratspräsident Josef Schuster angesichts der Vorstellung des neuen Lagebilds. Leidtragende seien vor allem jüdische Senioren, Familien mit Kindern und Jugendliche.

In den Ergebnissen werde zugleich aber auch großes Vertrauen der Gemeinden in die Sicherheitsbehörden deutlich. Schuster bezeichnete es als "durchaus bemerkenswert, dass angesichts der komplexen und herausfordernden Lage seit dem 7. Oktober mit 96 Prozent nahezu alle der befragten Gemeinden zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden sind". Auch die Zusammenarbeit mit der Politik und den örtlichen Kirchengemeinden werde allgemein als gut bewertet.

Das Ausmaß dieses Vertrauens sei eine "wirkliche Neuigkeit und eine wichtige Erkenntnis", erklärte Schuster. "Dass es trotz dieses Vertrauens eine hohe Verunsicherung in den Gemeinden gibt, ist ein Warnsignal für die gesamte Gesellschaft", fügte er hinzu. Es dürfe nicht zugelassen werden, "dass Extremisten ganz gleich welcher Couleur unser Gemeinwesen gefährden". Antisemitismus - "ob islamistisch, rechtsextrem oder linksradikal - ist immer auch ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft und unseren Rechtsstaat", warnte Schuster.

In einem Interview mit der neuen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" warnte Schuster vor einem zunehmend aktiveren Antisemitismus von links. "Seit dem 7. Oktober erleben wir antisemitische Äußerungen und Aktionen verstärkt aus linken, leider auch akademischen Kreisen", sagte der Zentralratspräsident. 

Die Bedrohung aus dem rechtsextremen Lager sei nicht verschwunden - "nur haben die anderen gerade die lautere Stimme", sagte Schuster. "Das benenne ich, weil es uns tangiert. Wir wollen frei leben in Deutschland, in unserem Land."

Vor allem in Berlin und in Städten in Nordrhein-Westfalen habe sich das Leben von Jüdinnen und Juden seit den Hamas-Angriffen zum Negativen verändert. "Dort müssen Juden, die eine Kippa tragen oder einen Davidstern am Kettchen, befürchten, beleidigt oder sogar angegriffen zu werden." Schuster beklagte in diesem Zusammenhang  Probleme in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus der arabischen und aus der türkischen Welt.

pw/cha

© Agence France-Presse