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Aufrechter Gang ohne Rückrat, geht das?

Offensichtlich ja, wie der DOSB in der Russland-Frage zeigt

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) spricht sich trotz des andauernden Angriffskriegs auf die Ukraine für die Eingliederung neutraler Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus in den Weltsport aus. Die veränderte Position, die das Präsidium Anfang November beschlossen hatte, stellte der DOSB auf seiner Mitgliederversammlung am Samstag in Frankfurt vor. "Das ist die Meinung des deutschen Sports", sagte Präsident Thomas Weikert.

Damit geht der Dachverband auf Distanz zur Politik in Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach ihrer Rede vor den DOSB-Delegierten im Gespräch mit der FAZ betont, dass für sie weiterhin die ukrainischen Athleten im Vordergrund stehen. Die Erteilung von Visa für russische Athleten, die in Deutschland an Sportwettkämpfen teilnehmen wollen, unterliege noch immer einer Einzelfallprüfung.

Auch Boris Rhein, Ministerpräsident in Hessen, hatte in seinem Grußwort eine klare Haltung gegen den Start russischer und belarussischer Sportler geäußert. "Ich halte eine Aussage, wer nicht Sportler aller Länder willkommen heißt, und gemeint ist damit natürlich das Russland des Kriegsverbrechers Putin, der kann nicht Ausrichter Olympischer Spiele werden, für schlechterdings falsch", sagte Rhein: "Denn bei allem Respekt: Das stellt die Olympische Idee auf den Kopf. Hier geht es um Haltung. Diese Haltung muss gerade jetzt gezeigt werden."

Diese Haltung hatte auch der DOSB in seiner Positionierung vom 18. März 2022 gezeigt, mittlerweile hätten sich allerdings die "Rahmenbedingungen" geändert, sagte der Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester. Der DOSB beruft sich auf die Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zur Wiedereingliederung der Athleten aus den kriegstreibenden Nationen unter neutralen Status und weiteren strengen Auflagen. Die basiere "auf einer Mehrheitsentscheidung der internationalen Sportgemeinschaft".

Weikert sagte im Gespräch mit dem SID: "Die Ukrainer nehmen wieder teil, wenn Russen und Belarussen da sind. Das ist auch für uns der Anlass gewesen zu überprüfen, ob wir unsere Meinung dazu ein bisschen ändern oder anpassen müssen. Immer mit der Maßgabe, dass die beschlossenen Sachen nicht angetastet werden. Keine Mannschaften, keine nationalen Symbole, keine Waffenträger. Wir haben gute Polizisten: die Ukrainer selbst."

Die neue Haltung des DOSB habe nichts mit der geplanten Olympiabewerbung zu tun, sagte Burmester. IOC-Präsident Thomas Bach hatte zuletzt gemahnt: "Das IOC kann Spiele nur dorthin vergeben, wo seine Regeln respektiert werden. Dazu gehört, dass jeder vom IOC akkreditierte Teilnehmer einreisen darf."

Die neue Position des DOSB-Präsidiums trägt nicht jeder Sportfunktionär in Deutschland mit. Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, sagte in Frankfurt: "Ich respektiere jede andere Meinung. Aber ich muss sie nicht akzeptieren. Für mich gibt es keinen Grund, wenn Menschen einknicken, solidarisch mit einzuknicken."


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