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Scholz fordert humanitäre Pausen

Netanjahu deutet mögliches Abkommen über Freilassung von Geiseln an

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Möglichkeit eines Abkommens über die Freilassung zumindest einiger der von der Hamas verschleppten Geiseln angedeutet. Auf die Frage nach einem möglichen Abkommen über die Freilassung von Frauen, Kindern und alten Menschen sagte Netanjahu am Sonntag im US-Fernsehen: "Das könnte sein." Inmitten heftiger Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der islamistischen Hamas wuchs derweil die Sorge um die Menschen in den Krankenhäusern im Gazastreifen.

Genauere Ausführungen zu einem möglichen Geisel-Abkommen wollte Netanjahu im US-Fernsehsender NBC nicht machen. "Je weniger ich mich zu diesem Thema äußere, desto mehr erhöhe ich die Chancen, dass dies Wirklichkeit wird."

Der israelische Regierungschef zeigte sich zudem überzeugt, dass die Verhandlungen über die mögliche Freilassung von Geiseln wegen des militärischen Drucks auf die Hamas vorankommen seien. Die Verhandlungen seien bis zum Beginn der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen überhaupt nicht vorangekommen. "Aber in dem Moment, als wir mit der Bodenoffensive begannen, begannen sich die Dinge zu ändern."

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober greift das israelische Militär massiv Ziele im Gazastreifen an, inzwischen sind auch Bodentruppen in das Palästinensergebiet eingedrungen. Etwa die Hälfte der 2,4 Millionen Bewohner ist innerhalb des schmalen Küstengebiets auf der Flucht, am Wochenende verstärkte sich die Sorge um die Menschen in den Krankenhäusern im Gazastreifen.

Sollten die Kämpfe nicht gestoppt oder zumindest die Patienten evakuiert werden, "werden diese Krankenhäuser zu Leichenhallen", warnte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Die Lage in der Al-Schifa-Klinik, dem größten Krankenhaus im Gazastreifen, sei "katastrophal". Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte, er habe den Kontakt zu seinen Gesprächspartnern im Al-Schifa-Krankenhaus verloren.

Ein Chirurg, der für Ärzte ohne Grenzen in dem Krankenhaus arbeitet, berichtete über den Tod zweier Frühchen aufgrund von Stromausfällen. Auch ein erwachsener Patient sei wegen des Ausfalls seines Beatmungsgeräts gestorben. Es gebe kein Wasser, keinen Strom und keine Lebensmittel für die Patienten. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) sind inzwischen 20 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen "nicht mehr funktionsfähig". 

Der stellvertretende Gesundheitsminister im von der Hamas beherrschten Gazastreifen, Jussef Abu Risch, sagte, ein israelischer Angriff habe die kardiologische Abteilung des Al-Schifa-Krankenhauses "vollständig" zerstört. Israelische Panzer würden zudem das Krankenhaus komplett umzingeln. Dem Hamas-Vertreter zufolge sind in dem Krankenhaus 650 Patienten, darunter rund 40 Babys, sowie 15.000 Vertriebene untergebracht.

Eine andere Klinik, das Al-Kuds-Krankenhaus, wiederum musste ihre Arbeit nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmondes einstellen, weil es keinen Treibstoff mehr für die Generatoren gab. Ein Vertreter der Hamas-Behörden erklärte zudem, die "erzwungene Evakuierung der Kinderkrankenhäuser Al-Nasr und Al-Rantissi" habe dazu geführt, dass "die Kranken ohne Behandlung auf der Straße sind". 

Das israelische Militär hatte zuvor mitgeteilt, dass es für die zwei Krankenhäuser "die Evakuierung ermöglicht" habe. Von unabhängiger Seite konnten die Angaben beider Seiten nicht überprüft werden. 

Die Europäische Union warf der Hamas vor, Krankenhäuser und Zivilisten im Gazastreifen als "menschliche Schutzschilde" zu benutzen. In einer Erklärung, die der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Sonntagabend im Namen der EU verbreitete, wurde Israel zugleich zu "größtmöglicher Zurückhaltung" aufgerufen, um das Leben von Zivilisten zu schützen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies unterdessen Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe zurück - "weil das ja letztendlich bedeutet, dass Israel die Hamas sich erholen lassen soll". Auch der Kanzler sprach sich stattdessen bei einer Veranstaltung der Zeitung "Heilbronner Stimme" für "humanitäre Pausen" aus. 

Hunderte Hamas-Kämpfer waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Kinder. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Israel hatte der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas daraufhin den Krieg erklärt und Ziele der Palästinenserorganisation im Gazastreifen ins Visier genommen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden bis Sonntagabend 11.180 Menschen getötet.

jes/mid


© Agence France-Presse