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Netanjahu lehnt US-Forderung nach humanitärer Feuerpause ab

Ohne Freigabe der Geiseln gibt es keine Hilfe für die Zivilbevölkerung

US-Außenminister Antony Blinken hat sich bei seinem zweiten Israel-Besuch seit Beginn des Nahost-Krieges vergeblich für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen eingesetzt. Ohne eine Freilassung der von der radikalislamischen Hamas verschleppten Geiseln lehne sein Land eine "vorübergehende Feuerpause" ab, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Freitag nach Gesprächen mit Blinken. Die Hamas meldete indes nach einem Angriff auf einen Krankenwagen weitere Angriffe im Gazastreifen mit zahlreichen Toten.

Eine humanitäre Feuerpause mache es möglich, Vorkehrungen zur Erhöhung der Sicherheit der Zivilisten im Gazastreifen zu treffen, und erleichtere Hilfslieferungen, sagte Blinken. Zudem betonte er, der einzige Weg, um dauerhafte Sicherheit in Israel gewährleisten zu können, sei eine Zweistaatenlösung. Diese sieht die Gründung eines palästinensischen Staates vor, der friedlich mit Israel koexistiert.

Netanjahu sagte dagegen, Israel lehne eine vorübergehende Feuerpause ab, die "nicht eine Freilassung unserer Geiseln beinhaltet". Israelischen Angaben zufolge befinden sich aktuell 241 Geiseln in den Händen der Hamas. 

Sowohl Israel als auch die USA schließen eine generelle Waffenruhe im Gazastreifen aus, da diese es nach ihrer Ansicht der dort herrschenden Hamas ermöglichen würde, sich neu zu organisieren. US-Präsident Joe Biden hatte jedoch für "vorübergehende und lokal begrenzte" Feuerpausen plädiert.

Ein hochrangiger Vertreter des Weißen Hauses sagte am Freitag vor Journalisten, dass für eine Freilassung einer so großen Zahl von Geiseln eine "sehr konsequente Feuerpause" nötig sei. Derzeit würden "Gespräche" über das Thema geführt, erklärte er und betonte gleichzeitig, es gebe bisher keine Vereinbarung über eine Pause.

Unterdessen setzte Israel seine Angriffe im Gazastreifen fort. Die israelische Armee bestätigte einen Luftangriff auf einen Krankenwagen vor dem Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt, der von einer "Terrorzelle" der Hamas genutzt worden sei. Das von der Hamas geleitete Gesundheitsministerium im Gazastreifen hatte hingegen zuvor mitgeteilt, dass in dem Krankenwagen Verwundete aus Gaza-Stadt in Krankenhäuser im Süden des Küstenstreifens transportiert werden sollten. Laut dem Roten Halbmond handelte es sich um einen Konvoi von fünf Krankenwagen.

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums Hamas wurden bei dem Angriff 15 Menschen getötet. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP sah mehrere Leichen und Verletzte neben einem beschädigten Krankenwagen. 

Die UNO verurteilte den Angriff auf den Krankenwagen scharf. "Ich bin entsetzt", erklärte UN-Generalsekretär António Guterres und fügte hinzu, die Bilder der "auf der Straße vor dem Krankenhaus verstreuten Leichen" seien "herzzerreißend".

Am Samstagmorgen meldete die Hamas dann einen Angriff auf eine als Notunterkunft dienende Schule im nördlichen Gazastreifen. Das Gesundheitsministerium erklärte, bei dem "gezielten" Angriff seien 20 Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden. 

Bei einem weiteren mutmaßlichen israelischen Angriff sollen laut Hamas zudem 14 Menschen auf der Flucht in den Süden des Palästinensergebiets getötet worden seien. Zu diesem Vorfall machte das israelische Militär keine Angaben. Israel hat die Zivilbevölkerung im Norden des Gazastreifens wiederholt dazu aufgefordert, im Süden des Territoriums Zuflucht zu suchen.

Nach der Öffnung des Grenzübergangs Rafah verließen am Freitag nach Angaben der Bundesregierung mehr als 30 Deutsche den Gazastreifen in Richtung Ägypten, darunter Familien mit Kindern. Der Grenzübergang Rafah war am Mittwoch erstmals seit Beginn des Kriegs für Ausländer und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft sowie Verletzte geöffnet worden. Hunderte Menschen konnten seitdem das umkämpfte Gebiet verlassen.

Bei dem am 7. Oktober begonnenen beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel waren israelischen Angaben zufolge rund 1400 Menschen getötet. Zudem verschleppten die Islamisten mehr als 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Als Reaktion startete Israel seine Angriffe in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet. Dabei wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 9200 Menschen getötet.

kbh/se


Adel ZAANOUN und Leon BRUNEAU / © Agence France-Presse