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Leitzins unverändert bei 4,5 Prozent

Zinspause: "Das ist eine gute Entscheidung" ?

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt die Leitzinsen nach zehn Erhöhungen in Folge erstmals unverändert. Es werde erwartet, dass die Inflation weiterhin "zu lange zu hoch" sein werde, gleichzeitig sei die Teuerung aber "merklich zurückgegangen", begründete EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Entscheidung am Donnerstag in Athen. Im September hatte sich die Inflationsrate in der Eurozone auf 4,3 Prozent im Jahresvergleich abgeschwächt. 

Der Satz, zu dem Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können, bleibt bei 4,5 Prozent. Der sogenannte Spitzenrefinanzierungssatz zur kurzfristigen Beschaffung von Geld verharrt bei 4,75 Prozent und der für Sparer wichtige Einlagenzins auf seinem historischen Höchststand von 4,0 Prozent. 

Die EZB erklärte, die bisherigen Zinserhöhungen "schlagen weiterhin stark auf die Finanzierungsbedingungen durch". Dies dämpfe zunehmend die Nachfrage und trage so zu einem Rückgang der Inflation bei. Sie erwartet für das gesamte Jahr 2023 eine Teuerung von 5,6 Prozent in der Eurozone.

Der Rat der EZB betonte am Donnerstag, er sei "entschlossen", für eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zu sorgen. Dafür würden die Zinsen "so lange wie erforderlich" auf dem jetzigen Niveau bleiben, sagte Christine Lagarde. Diskussionen über Zinssenkungen seien zum aktuellen Zeitpunkt "völlig verfrüht", so die EZB-Präsidentin weiter. 

Risiken für die Wirtschaft drohten auch durch geopolitische Konflikte weltweit. Neben dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beobachte die EZB die Situation im Nahen Osten. Sie sei "sehr aufmerksam" gegenüber wirtschaftlichen Risiken, die durch den Konflikt zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation Hamas entstehen könnten.

Die Energiepreise seien "weniger vorhersehbar" geworden. Geopolitische Spannungen könnten sie weiter in die Höhe treiben und auch Unternehmen und private Haushalte blickten zunehmend unsicher in die Zukunft. 

Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Heiner Herkenhoff, empfahl der EZB, "die Tür für Zinserhöhungen" weiterhin offenzuhalten. Für die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik werde es entscheidend sein, dass es der EZB gelinge, die Inflationsrate in den nächsten ein bis eineinhalb Jahren auch tatsächlich in ihren eigenen Zielbereich von rund zwei Prozent zurückzuführen. 

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, begrüßte die Zinspause: "Das ist eine gute Entscheidung." Die schnellen Zinserhöhungen seit etwa einem Jahr hätten dazu beigetragen, die Inflation zu dämpfen und die Inflationserwartungen zu stabilisieren - "und diese Entwicklung wird sich voraussichtlich in den kommenden Monaten fortsetzen".

Für Zinssenkungen sei es allerdings noch zu früh, mahnte auch Fuest. "Dafür muss die Inflation weiter zurückgehen. Vor allem wegen hoher Lohnabschlüsse und Risiken bei den Energiepreisen ist nicht garantiert, dass das so kommt."

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell dagegen erklärte, von den aktuellen Lohnabschlüssen gehe kein Preisdruck aus. Das aktuell hohe Zinsniveau sei jedoch "schlecht für die Wirtschaft". Jetzt sei es an der Zeit über eine Zinskorrektur nach unten nachzudenken. "Der derzeitige EZB-Kurs bremst die Nachfrage aus und treibt Deutschland unnötig in eine Rezession."

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) lobte den Beschluss als "gute Nachricht für die Unternehmen". Sinkende Inflationsraten und die Stabilität der Leitzinsen hätten in einem weiterhin sehr schwierigen wirtschaftlichen Umfeld einen beruhigenden Effekt, erläuterte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. 

Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) bemängelte, die EZB habe den Zinserhöhungszyklus zu zögerlich begonnen. "Und es könnte sich herausstellen, dass sie jetzt auch die Pause zu spät einleitet." Die Zinserhöhungen hätten bereits eine deutliche Trendwende auf dem deutschen und europäischen Wohnungsmarkt ausgelöst. 

"Insgesamt steht aber außer Frage, dass die Reaktion der EZB auf den Inflationsschub wirksam war und ihre Glaubwürdigkeit als Inflationsbekämpferin unterstrichen hat", so das Fazit des IfW.

mb/jm


© Agence France-Presse