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Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels: allein im Schloss

„Wir haben schnell und umsichtig reagiert“ Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels über den Umgang mit der Corona-Pandemie an der WWU


Die Corona-Pandemie hat das alltägliche Leben und Arbeiten auf den Kopf gestellt. Im Interview mit Norbert Robers schildert Rektor Prof. Dr. Johannes Wessels, was die Krise für die Universität Münster bedeutet und wie sie mit den Folgen umgeht.

Der Corona-Virus war anfangs weit weg – in China. Wann hatten Sie erstmals das Gefühl, dass es auch für uns beziehungsweise für die Universität ernst wird?

Ich kann mich gut daran erinnern: Das war am 26. Februar, als es die ersten bestätigten Infektionen in Nordrhein-Westfalen gab. Wir haben am Tag danach einen Krisenstab eingerichtet, um uns einen Überblick zu verschaffen und um uns sprech- und auskunftsfähig zu machen. Wir wussten natürlich noch nicht, was auf uns zurollen würde, aber wir wollten festlegen, wer im Ernstfall was macht und wer mit wem spricht.

Was waren am Anfang der Krise die wichtigsten Maßnahmen?

Wir mussten vor allem die Kommunikations-Kanäle und –Wege festlegen. Wer kann wann und wo getestet werden? Was muss weitergemeldet werden, ans Gesundheitsamt oder an andere Institutionen? In welcher Fällen ist der Vorgesetzte einzuschalten? Wie können ,Erstkontakte‘ informiert werden? Parallel dazu hatten wir Mediziner an unserer Seite, beispielsweise den Leiter unseres Arbeitsmedizinischen Dienstes, die uns beraten haben. Auch mit dem UKM standen wir von Anfang an im direkten Austausch.

Und in diesem Anfangsstadium hatte jede Hochschule für sich entschieden und agiert – oder gab es auch Absprachen unter den Rektoren oder Kanzlern?

Am Anfang stand jede Hochschule für sich allein da, weil nicht von Beginn an klar war, wer mit wem über was kommuniziert. Das mussten zunächst alle Hochschulen für sich erarbeiten und festlegen. Nachdem alle Hochschulen das geklärt und ihre Krisenstäbe installiert hatten, kam die Entscheidung des Ministeriums, den Semesterstart zu verschieben. Das betraf uns alle, und deswegen gab es von dem Zeitpunkt auch viele Absprachen und gegenseitige Beratungen innerhalb der Landesrektorenkonferenz, beispielsweise über möglichst einheitliche Regelungen zur Schließung von Bibliotheken oder den Zugang zu Laboren.

Oder waren die Hochschulen vielmehr an die Anweisungen von öffentlichen Stellen gebunden, anstatt selbstständig Entscheidungen treffen zu können?

Erlassen von Ministerien oder der Stadt hatten natürlich auch wir Folge zu leisten, etwa, dass man nicht mehr in bestimmten Gruppengrößen zusammenkommen durfte. Die Frage, wie wir einerseits dem Gebot des ,distancing‘ nachkommen und gleichzeitig den Betrieb aufrecht erhalten, mussten und durften wir dagegen selber beantworten – wie wir also beispielsweise Forschungsarbeiten fortführen, unsere Rechnungen bezahlen, Personal einstellen und unsere Energieversorgung sichern. Bei diesen Fragen hatten wir durchaus Gestaltungsspielraum.

Sie und der Krisenstab mussten schnell sehr viele Dinge regeln. Gab es dabei besonders schwierige Entscheidungen?

Ich würde weniger von schwierigen als vielmehr von folgenreichen Entscheidungen sprechen. Das betraf alle jene Regeln, mit denen wir den üblichen Studienablauf von 45.000 Studierenden oder den Arbeitsalltag von mehr als 7000 Beschäftigten massiv beeinflusst haben. In der sorgfältigen Abwägung von Alternativen, waren wir uns der Relevanz dieser Entscheidungen durchaus bewusst.

Gab es entsprechend viel Unmut oder sogar Protest?

Nein, eher das Gegenteil war der Fall: Sehr viele Studierende und auch Beschäftigte haben sofort Überlegungen angestellt, wie sie sich in dieser Krise konstruktiv in das öffentliche Leben einbringen können.

Es gab nicht nur einen Krisenstab, sondern gleich mehrere – warum?

Es gibt seit Beginn der Krise einen Krisenstab, der hinreichend klein sein muss, um handlungsfähig zu sein. Die Planungsstäbe decken verschiedene Handlungsfelder ab, beispielsweise zu Fragen rund um Studium und Lehre, zum Personal, zu IT-Fragen und zu infrastrukturellen Aspekten etwa von technischen Anlagen oder Laboren. Das hat sich sehr bewährt. Es gibt in einzelnen Bereichen die Notwendigkeit, sich mit einer großen Zahl von Experten zu beraten. Das würde den Rahmen des Krisenstabes sprengen.

Wie haben Sie dabei sichergestellt, dass möglichst alle WWU-Angehörigen möglichst schnell über alles informiert werden?

Erstens haben wir schnellstmöglich eine Mail an alle Studierenden und Beschäftigten versandt – an insgesamt über 60.000 Personen. Zweitens haben wir sofort auf der WWU-Homepage eine Corona-Rubrik erstellt, in der wir seitdem alle relevanten Infos bereitstellen. Dazu gehören beispielsweise die sogenannten ,FAQs‘, also die wichtigsten Fragen und Antworten, die wir seitdem fast jeden Tag aktualisieren. Etwas ähnliches haben wir in der Kommunikation nach innen im Portal ,MyWWU‘ aufgebaut, wo wir spezielle Aspekte für die Beschäftigten aufgreifen und wo der Kanzler und ich schon früh in einem Video die Lage und unsere Arbeitsweise erläutert haben.

Und das hat aus heutiger Sicht und mit etwas zeitlichem Abstand gut funktioniert?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, die Reaktionen in den Mail-Postfächern anzuschauen, die wir extra dafür angelegt haben – Funktionsadressen wie beispielsweise corona.personal oder corona.it. Jedes Mal, nachdem wir neue Regeln festgelegt haben, landete in diesen Postfächern jeweils eine überschaubare Zahl an Fragen, die uns vor allem zeigten, wo noch präzisiert werden musste.  Das war durchaus hilfreich, denn kurz darauf ging die Zahl dieser Mails stark zurück. Rückblickend würde ich sagen: Wir haben schnell und umsichtig reagiert und konnten unsere Vorgaben dank der Hinweise aus den Fachbereichen und anderer Stellen zügig präzisieren. Mit dieser ersten Bilanz können wir zufrieden sein.

Niemand kann derzeit wissen, wie sich die Pandemie weiterentwickelt und welchen Einfluss dies auf das öffentliche Leben haben wird. Wagen Sie dennoch eine Prognose - wie wird das kommende Sommersemester aussehen?

Natürlich habe auch ich keine Glaskugel. Eines kann ich aber versichern: All unser Handeln steht unter der Maxime, das Sommersemester möglichst nutzbringend und effektiv zu gestalten. Das sehen im Übrigen alle nordrhein-westfälischen Hochschulen genauso.

Titelbild: © WWU - Peter Leßmann