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Mit Erfindergeist gegen COVID-19

Plexiglashaube schützt Klinikmitarbeiter des Clemenshospitals vor Corona

China im Dezember 2019: Der Augenarzt Dr. Li Wenliang versucht seine Kolleginnen vom Wuhan Central Hospital vor dem Ausbruch einer Krankheit, die SARS ähnelt zu warnen. Von ganz oben wird die Sache kleingeredet, er wird mundtot gemacht. Als er weiter arbeitet, steckt er sich bei einem Patienten an, den er wegen eines Glaukoms untersucht. Der Whistleblower stirbt am 07. Februar 2020 im Alter von 33 Jahren an den Folgen von dem, was wir heute COVID-19. nennen.

Münster, am Samstag, den 04. April: der pflegerische Leiter der Anästhesie, Friedrich Fernholz, kommt nicht zur Ruhe. Lange schon hat das neuartige Virus auch Münster erreicht. Er weiß aus China und Italien, dass immer mehr Mitarbeiterinnen im Krankenhaus dem gleichen Virus zum Opfer fallen, wie ihre zu behandelnden Patientinnen. Denn anders als bei der Grippe, gibt es gegen SARS-CoV-2 keinen Impfstoff. Das heißt, dass gerade die am meisten gefährdet sind, die es am wenigsten sein sollten: die Menschen in Krankenhäusern.

Fernholz vom Clemenshospital Münster will das jetzt ändern. Er hat eine Idee. Man bräuchte eine Art Windschutzscheibe, die den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin vor den sogenannten Aerosolen schützt, die der oder die Patientin ausstößt, wenn der Schlauch (Tubus) im Bereich der oberen Atemwege angebracht oder entfernt wird. Denn genau hier ist COVID-19 angesiedelt. Freigesetzt, infiziert es im schlimmsten Fall dann Klinikmitarbeiterinnen und führt durch direktes Einatmen des Aerosols zu schweren Krankheitsverläufen.

Der Pfleger grübelt und erinnert sich Samstag Nacht daran, dass der Ehemann einer Krankenhausmitarbeiterin, mit der er zusammen in Pflegeausbildung war, in Ahaus mit dem nötigen Kunststoff arbeitet und für so ein Projekt sicher zu haben wäre. Und so ist es: Geschäftsführer von Dutec, Markus Uppenkamp, hilft mit seinen 70 Mitarbeiterinnen, die er auch deshalb nicht in Kurzarbeit schicken muss und erstellt einen Prototypen.Der Protoyp, der nach dem Impuls von Fernholz entstand.

Der Protoyp, der nach dem Impuls von Fernholz entstand. Er kann stolz sein: Geschäftsführer und medizinischer Direktor Dr. Hans-Ulrich Sorgenfrei präsentiert das Erfinderteam Milbradt, Fernholz und Uppenkamp (v.l.n.r.).

Doch eine Windschutzscheibe reicht Oberarzt der Anästhesie Oliver Milbradt nicht. Aus Südkorea, China und Italien kennen die beiden bereits ähnlich notdürftige Sicherungen. Zwar wird so der Schutz von Angesicht zu Angesicht durch die Trennwand gewährleistet, doch es verhindert nicht die Ausbreitung des Virus im Raum. Schon bei der Entfernung der Schutzdecke kann das geschehen.

Die beiden denken also an eine Box. Eine Art Brutkasten. Mit Einweghandschuhen ist der oder die zu Behandelnde gut erreichbar und der Tubus kann problemlos gelegt und entfernt werden. Die Luft in der Box ist gefiltert, sodass die Viren zwar die Lungen verlassen, anschließend aber nicht in die Luft gelangen. Der oder die Behandelnde ist für Patientinnen gut sichtbar, sodass für die nötige zwischenmenschliche Beruhigung gesorgt ist. Selbst eine FFP-Maske, die momentan ohnehin Mangelware ist, wird durch die Erfindung überflüssig.

Damit hat das Team eine tolle Zwischenlösung eines lebensbedrohlichen Problems gefunden. Denn die Gruppe rund um Fernholz will die Schutzbox stetig weiter verbessern. Die elf stationierten Corona-Patienten mit leichten und drei mit einem schweren Verlauf, die auf der Intensivstation betreut werden, sind somit ganz sicher in den besten Händen.

Nach der Corona-Pandemie kann die Box bei der Behandlung jedweder luftübertragender Infektionen, wie beispielsweise der Influenza oder Tuberkulose, angewandt werden. Denn bei allen infektiösen Erkrankungen der Atemwege, erklärt Milbradt, entsteht Nebenluft, die durch eine Maske ausweichen kann. Durch die Box wären dann die Mitarbeiterinnen, samt Impfung, doppelt geschützt.

Laut Hersteller Uppenkamp ist die Lieferkette gesichert und es können einhundert Boxen pro Woche hergestellt werden. Mit dieser Erfindung können schmerzhafte Tode wie der des Dr. Li, auch wenn er nur am Auge forschte, verhindert werden.

Titelbild: Er kann stolz sein: Geschäftsführer und medizinischer Direktor Dr. Hans-Ulrich Sorgenfrei präsentiert das Erfinderteam Milbradt, Fernholz und Uppenkamp (v.l.n.r.).

Foto: Flo aus Münster