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Skandal in Washington: McCarthy vom Kongress abgesetzt - Hat Trump die Fäden gezogen?

McCarthy-Absetzung stürzt US-Repräsentantenhaus in beispiellose Krise

Das US-Repräsentantenhaus erlebt eine beispiellose Krise: Erstmals in der Geschichte der USA setzte die Kongresskammer am Dienstag den Republikaner Kevin McCarthy als ihren Vorsitzenden ab. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für einen Antrag des rechten Hardliners Matt Gaetz, McCarthy von der Spitze des Hauses zu stürzen. Der 58-Jährige verlor damit einen parteiinternen Machtkampf im Streit um die Haushaltspolitik und weitere Ukraine-Hilfen. Wie seine Nachfolge geregelt wird, ist bisher unklar. 

Übergangsweise übernahm der Republikaner Patrick McHenry den Vorsitz. Politisch ist die Kongresskammer aber gelähmt, solange kein neuer Vorsitzender gewählt wird. Am Dienstag kommender Woche treffen sich die Republikaner, um sich auf einen neuen Kandidaten zu verständigen.

Er habe jede Minute als 55. Vorsitzender des Repräsentantenhauses geliebt, sagte McCarthy nach dem Votum zu Reportern und machte deutlich, dass er nicht erneut antreten werde - obwohl dies möglich gewesen wäre. 

Für eine Absetzung des Politikers aus dem Bundesstaat Kalifornien, der bis dahin das dritthöchste Amt im Staat innehatte, stimmten 216 Abgeordnete: acht Republikaner vom Rechtsaußen-Flügel der Partei und 208 Abgeordnete der Demokraten von Präsident Joe Biden. Gegen eine Absetzung stimmten 210 republikanische Abgeordnete. Trotz seiner historischen Niederlage lächelte McCarthy nach dem Votum, während ihm Parteifreunde die Hand schüttelten.

Präsident Biden rief das Repräsentantenhaus auf, "schnell" einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu wählen. "Die dringenden Herausforderungen für unser Land werden nicht warten", erklärte seine Sprecherin Karine Jean-Pierre. Biden will zum einen rasch neue Ukraine-Hilfen beschließen lassen. Zum anderen muss der Kongress bald eine neue Haushaltseinigung erzielen, weil sonst im November ein sogenannter Shutdown droht.

McCarthy hatte sich am Wochenende in letzter Minute mit den Demokraten im Repräsentantenhaus auf einen Kompromiss zur Finanzierung der US-Bundesbehörden bis zum 17. November geeinigt, um eine solche Haushaltssperre zu verhindern. Der Streit über den Shutdown ist auch der Hintergrund des Absetzungsantrags, den Gaetz, ein Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump, am Montagabend gestellt hatte.

Gaetz, der auf massive Ausgabenkürzungen pocht, hat McCarthy dafür scharf kritisiert. Er wirft McCarthy auch vor, eine "geheime" Absprache mit Präsident Biden für neue Ukraine-Hilfen getroffen zu haben. Die Ultrarechten im Repräsentantenhaus sind gegen zusätzliche Hilfen für Kiew und wollen das Geld lieber zur Sicherung der US-Grenze zu Mexiko ausgeben.

Vor der Abstimmung im Plenum lieferte Gaetz sich heftige Wortgefechte mit anderen Republikanern, die sich für McCarthy einsetzten. "Sie können buhen, so viel Sie wollen", rief er an einer Stelle. Die McCarthy-Anhänger warnten, eine Absetzung des Vorsitzenden werde die Kongresskammer "lähmen", zu "Chaos" führen, die Bevölkerung gegen die Republikaner aufbringen und letztlich den Demokraten zu Gute kommen.

Nach der Abstimmung sagte Gaetz, der Vorsitzende sei gestürzt, "weil niemand Kevin McCarthy vertraut". Er fügte hinzu: "Es ist im Interesse dieses Landes, dass wir einen besseren Speaker als Kevin McCarthy haben." Als Speaker - Sprecher - wird in den USA der Vorsitzende des Repräsentantenhauses bezeichnet.

McCarthy hatte zwar nach wie vor den Rückhalt der großen Mehrheit der republikanischen Abgeordneten. Allerdings verfügen die Konservativen im Repräsentantenhaus nur über eine so knappe Mehrheit, dass schon fünf rechte Hardliner der Republikaner ausgereicht hätten, um McCarthy zu stürzen, wenn die Demokraten geschlossen gegen den Vorsitzenden stimmen. Die Demokratenführung hatte wiederum erklärt, es sei nicht ihre Aufgabe, eine Absetzung des Republikaners zu verhindern. 

McCarthy hatte die Spitze des Repräsentantenhauses zu Jahresbeginn übernommen, nachdem die Republikaner bei den Kongress-Zwischenwahlen vom November 2022 eine knappe Mehrheit gewonnen hatten. Von Anfang an zeichnete sich ab, dass er angesichts des Widerstands des Rechtsaußen-Flügels seiner Partei einen schweren Stand haben würde. McCarthy brauchte im Januar eine Rekordzahl von 15 Wahlgängen, um zum Vorsitzenden gewählt zu werden. 

Ex-Präsident Trump zeigte sich enttäuscht über den Machtkampf seiner Partei. "Warum kämpfen die Republikaner eigentlich immer gegeneinander und nicht gegen die linksradikalen Demokraten, die unser Land zerstören?" schrieb der Rechtspopulist, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten will, auf seiner Online-Plattform Truth Social.

se/ju Fabian Erik SCHLÜTER / © Agence France-Presse