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Faeser zur EU-Asylverordnung: Ja, aber ...

Hohe Asylnormen müssten auch gelten, wenn Drittländer Flüchtlinge gezielt in die EU weiterleiteten, wie es zuletzt der russische Verbündete Belarus getan hatte.

Die EU-Innenminister haben am Donnerstag in Brüssel um den letzten Baustein der lange umkämpften europäischen Asylreform gefeilscht, die sogenannte Krisenverordnung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich zum Auftakt der Gespräche zuversichtlich über eine Einigung, knüpfte die deutsche Zustimmung aber an Bedingungen. Mit der Krisenverordnung will sich die EU gegen eine neue Flüchtlingskrise wappnen.

Faeser nannte es wichtig für die Bundesregierung, dass ein Mitgliedsland im Krisenfall "nicht leichtfertig in Anspruch nimmt, dann Standards abzusenken". Hohe Asylnormen müssten auch dann gelten, wenn Drittländer Flüchtlinge gezielt in die EU weiterleiteten, wie es zuletzt der russische Verbündete Belarus getan hatte. 

Österreich, Ungarn und Polen fordern dagegen möglichst scharfe Maßnahmen zur Eindämmung der Migrationszahlen. Der österreichische Innenminister Gerhard Karner kündigte in Brüssel an, "hart um Ergebnisse zu ringen". Er fordert Asylverfahren direkt in Nordafrika, damit die Menschen erst gar nicht nach Europa gelangen. Dies war nach letztem Verhandlungsstand aber nicht vorgesehen.

Die Krisenverordnung soll greifen, wenn durch besonders viele Migranten eine Überlastung der Asylsysteme droht. Sie sieht etwa vor, dass deutlich mehr Migranten direkt an den Außengrenzen Verfahren durchlaufen und auch direkt dort abgewiesen werden können.

Die Grünen in der Ampel-Koalition blockierten bisher eine deutsche Zustimmung und begründeten dies mit einer drohenden Aushöhlung des Asylrechts. Medienberichten zufolge sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dann ein "Machtwort".

Faeser machte in Brüssel allerdings deutlich, dass sie in Absprache mit den Grünen auf letzte Zugeständnisse der EU-Partner dringt. Sie sei "sehr zuversichtlich, dass wir Punkte haben werden, die Deutschland noch erreicht", betonte sie nach nächtlichen Verhandlungen in Brüssel.

Zweifel ließ Faeser allerdings an der Durchsetzbarkeit der Grünen-Forderung nach einem besseren Schutz von Familien mit Kindern erkennen. Für sie ist bisher keine Ausnahme von den umstrittenen Außengrenzverfahren vorgesehen, bei denen Migranten unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden sollen. 

Es gebe unter den Staaten "nur eine kleine Minderheit, die sich dafür einsetzt", sagte Faeser. Die Mitgliedsländer hatten sich bereits im Juni auf die Grenzverfahren geeinigt. Mit der Krisenverordnung würden diese erstmals auch Flüchtlinge mit guten Asylchancen betreffen.

"Wir sind sehr nah an einer Einigung", sagte Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska, der die schwierigen Brüsseler Verhandlungen leitete. Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte sich "optimistisch". Mit Blick auf Deutschland sagte sie: "Am Anfang gibt es immer ein wenig Spannung und Dissens. Aber bisher haben wir es jedes Mal geschafft, eine Einigung zu erzielen."

Die Zeit bei dem Asylthema drängt: Die seit der Flüchtlingskrise 2015 umkämpfte Reform soll bis zur Europawahl im Juni 2024 stehen, um Rechtsextremen und Populisten Einhalt zu gebieten. Dafür müssen sich die EU-Länder noch mit dem Europaparlament auf ein gemeinsames Gesetzespaket einigen. Das Parlament droht seinerseits mit einer Blockade, solange die Krisenverordnung nicht konsensfähig ist.

Grundsatzkritik übte der ungarische Regierungschef Viktor Orban. "Brüssel will uns den gescheiterten Migrationspakt vor den kommenden Europawahlen in den Rachen schieben", kritisierte er im Kurzbotschaftendienst X, ehemals Twitter. Ungarn hatte mit Polen, Österreich und weiteren Ländern zuletzt gegen den Krisenmechanismus gestimmt. Bei einer deutschen Zustimmung könnten diese Staaten einen Durchbruch aber nicht mehr verhindern, da keine Einstimmigkeit nötig ist.

Als unstrittig galt dagegen ein Beschluss der Innenminister, den Schutz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine um ein Jahr bis März 2025 zu verlängern. Faeser nannte dies "ein gutes Signal". Die gut vier Millionen Kriegsflüchtlinge in der EU können damit schnell und unbürokratisch Aufenthaltstitel erhalten. In Deutschland haben gut eine Million von ihnen Zuflucht gefunden.

lob/ju


Stephanie LOB / © Agence France-Presse