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Über den Abbau psychischer, sozialer und wirtschaftlicher Schäden

Eine interdisziplinäre Forschergruppe hat in einem Stufenplan erstmals detaillierte Schritte aufgezeigt, wie Deutschland aus dem Corona-Ausnahmezustand herausfinden könnte.


In einem Positionspapier schlugen die Wirtschaftswissenschaftler und Ärzte vor, dass zuerst Sektoren mit geringer Ansteckungsgefahr wie hochautomatisierte Fabriken, Schulen und Hochschulen wieder den Betrieb aufnehmen. Eine schrittweise Lockerung der Beschränkungen solle zugleich die medizinische Versorgung der Bevölkerung in der Pandemie sicherstellen.

Die Strategie sehe vor, derzeitige Einschränkungen "differenziert und unter kontinuierlicher Abwägung der Risiken nach und nach zu lockern", heißt es in dem Positionspapier, das am Freitag unter anderen der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, und Martin Lohse, Präsident der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ), vorlegten. Priorität haben laut den Forschern Beschränkungen, die hohe wirtschaftliche Kosten verursachen oder zu starken sozialen und gesundheitlichen Belastungen führen. 

Regionen mit niedrigen Infektionsraten und freien Kapazitäten im Gesundheitssystem könnten beim allmählichen Neubeginn vorangehen, heißt es in dem Stufenplan weiter. Das Positionspapier wurde von insgesamt 14 Wissenschaftlern deutscher Universitäten und Forschungsinstitute verfasst.

Wichtig seien nun großflächige Tests, um zuverlässigere Erkenntnisse über die Ausbreitung des Erregers zu erhalten, schreiben die Wissenschaftler aus den Bereichen Innere Medizin, Infektionsforschung, Pharmakologie, Epidemiologie, Ökonomie, Verfassungsrecht, Psychologie und Ethik. Auch die Sicherung der Produktion von Schutzkleidung, Schutzmasken, Medikamenten und künftiger Impfstoffe zähle zu den vordringlichen Maßnahmen. Weiterhin empfehlen die Wissenschaftler, neue Kapazitäten zur Bewältigung der sozialen und psychischen Folgeschäden der aktuellen Maßnahmen zu schaffen.

"Die aktuellen Beschränkungen sind sinnvoll und zeigen erste Wirkung", erklärte GDNÄ-Präsident Lohse. "Weil wir damit rechnen müssen, dass die Pandemie uns noch viele Monate beschäftigt und letztlich nur unser Immunsystem uns schützen kann, brauchen wir eine flexible, nach Risiken gestaffelte Strategie - ein genereller Shutdown ist keine langfristige Lösung."

Ifo-Präsident Fuest verwies auf die Wechselwirkungen zwischen Gesundheit und stabiler Wirtschaft. "So wie eine positive wirtschaftliche Entwicklung bei unkontrollierter Ausbreitung des Virus nicht möglich ist, lässt sich auch die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens ohne eine funktionierende Wirtschaft nicht aufrechterhalten", erklärte Fuest.

Für einen schrittweisen Neustart des öffentlichen Lebens nach den Osterferien sprach sich der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, in der "Passauer Neue Presse" aus. Der Shutdown sei zwar nötig, aber er dürfe "nicht länger als nötig sein, um die wirtschaftlichen Belastungen und Störungen in Grenzen zu halten". 

Ab Anfang Mai müsse wieder ein geordnetes Leben beginnen. Insbesondere die Schulen müssten wieder geöffnet werden, damit die Beschäftigten ihrer Arbeit nachgehen könnten. "Vor allem: Es muss jetzt der Exit aus dem Lockdown vorgedacht und geplant werden", forderte Hüther.

Für den Fall eines zeitnahen Ausstiegs aus den Beschränkungen äußerte sich auch der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, optimistisch für die wirtschaftlichen Perspektiven. "Im Mai sollten wir nach und nach wieder loslegen können, wenn der Infektionsverlauf dieses wie erwartet zulässt", sagte Kramer dem "Tagesspiegel". Im nächsten Jahr sollte es dann wieder "kräftig aufwärts gehen, sofern der Lockdown jetzt nicht zu lange dauert".

Bund und Länder haben im Kampf gegen die ungebremste Ausbreitung des neuartigen Coronavirus das öffentliche Leben massiv heruntergefahren. Restaurants und viele Einzelhändler haben geschlossen, wichtige Industrien wie die Autobranche haben ihre Produktion weitgehend gestoppt und ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. 

muk/ilo

© Agence France-Presse