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"wenn Tatsachen darauf hindeuten, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung ist"

Massive Kritiken an Faesers Vorschlag zu leichteren Abschiebungen von Clan-Mitgliedern

Der Vorschlag des Bundesinnenministeriums zu leichteren Abschiebungen von Clan-Mitgliedern wird weiter kontrovers diskutiert. 

Die Grünen meldeten Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit an: Es sei "klar, dass außerhalb des Rechtsstaats stehende Regelungen für uns Grüne niemals zur Debatte stehen", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, den RND-Zeitungen vom Dienstag. Auch Experten zeigten sich skeptisch. Aus der CDU hingegen kamen Zweifel daran, dass der Vorschlag auch durchgesetzt wird. 

In einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Diskussionspapier schlägt das Innenministerium vor, Abschiebungen von Mitgliedern krimineller Clans zu erleichtern. Diese sollen demnach dann möglich sein, "wenn Tatsachen darauf hindeuten, dass jemand Teil einer kriminellen Vereinigung ist", hatte ein Ministeriumssprecher am Montag gesagt. Dies solle auch dann gelten, wenn noch keine Verurteilung wegen einer Straftat vorliege.

"Die Koalition hat vereinbart, die Abschiebepraxis zu reformieren und zu effektivieren", sagte die Grünen-Politikerin Mihalic. "Dazu erwarten wir von der verantwortlichen Innenministerin konkrete, belastbare Vorschläge", fügte sie in Richtung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hinzu. 

"Dabei ist klar, dass außerhalb des Rechtsstaats stehende Regelungen für uns Grüne niemals zur Debatte stehen", warnte Mihalic. Das gelte auch für Maßnahmen, mit denen nicht strafrechtlich verurteilte Verwandte von Kriminellen genauso behandelt würden wie Kriminelle.

Auch Rechtsexperten äußerten sich skeptisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Innenministerium ernsthaft erwogen wird, dass Menschen allein wegen ihrer Mitgliedschaft zu einer Familie ausgewiesen werden", sagte der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis dem "Tagesspiegel". Ausweisungen müssten als Eingriff in Grundrechte "immer im Einzelfall gerechtfertigt sein".

Der Asylrechtsexperte Daniel Thym von der Universität Konstanz sagte der Zeitung, die Vorschläge grenzten an eine "Geisterdiskussion". Selbst wenn die Behörden zu dem Schluss kämen, dass ein Grund für eine Ausweisung vorliege, stünde den Betroffenen immer noch der Klageweg offen.

Ein Sprecher des Innenministeriums stellte klar, ein Verwandtschaftsverhältnis oder der Name könnten "in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend sein". Die vorgeschlagene Regelung entspreche dem Wunsch einiger Länder und kommunaler Spitzenverbände, sagte er der "Bild"-Zeitung. Mit ihnen solle nun erörtert werden, "wie genau eine solche Regelung rechtlich ausgestaltet sein muss und wie sie den Bedürfnissen der Praxis bestmöglich entspricht".

Aus der CDU kamen Zweifel daran, ob Faeser überhaupt Interesse an der Umsetzung der Vorschläge hat. "Je näher die hessische Landtagswahl rückt, desto stärker versucht Frau Faeser, das Bundesinnenministerium zur SPD-Wahlkampfzentrale umzufunktionieren", kritisierte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) in der "Bild"-Zeitung. Faeser ist SPD-Spitzenkandidatin bei der hessischen Landtagswahl am 8. Oktober und will dort Ministerpräsidentin werden.

Auch der CDU-Politiker Philipp Amthor zeigte sich skeptisch. Er wäre bei der Idee dabei, "wenn es denn ernst gemeint wäre", sagte Amthor dem Fernsehsender "Welt". "Das wird rechtlich nicht ganz einfach, das zu gestalten, es ist aus meiner Sicht aber möglich", sagte Amthor. "Das Problem ist nur, es ist ganz billiger Wahlkampf von Nancy Faeser", warf er der Bundesinnenministerin vor.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützte den Vorstoß des Innenministeriums prinzipiell. Die Vorschläge gingen "in die richtige Richtung", sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der "Rheinischen Post". "Wir brauchen mehr Instrumente im Kampf gegen Clan-Strukturen." 

Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) gab es 2021 insgesamt 47 Verfahren innerhalb der Organisierten Clankriminalität, sechs mehr als im Vorjahr. Dabei hatten 36,3 Prozent der Tatverdächtigen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Das BKA weist in seinem Lagebild zu Organisierter Kriminalität darauf hin, dass dies nur eine Teilmenge der strafbaren Handlungen krimineller Mitglieder aus Clanstrukturen darstelle. Die Ausprägungen der Clankriminalität umfassen demnach darüber hinaus "ein Vielfaches an Straftaten aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität sowie Verstöße gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz".

sae/cha