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Rezension: Die streikende Barbie

Zwischen dem Meme-potential einer Barbenheimer und dem streikenden Prekariat Hollywoods: Wie Memes die Werbekampagne eines Pop-Films übernahmen. Eine Filmrezension/-kritik.

Barbara Milicent Roberts ist seit 1959 die Kommunikation des male gaze – also dem Verständnis, wie Frauen als sexuelles Objekt aus einer männlichen, heterosexuellen Perspektive zu sein haben – an unzählige junge Mädchen. Mit dieser Vorstellung möchte die Drehbuchautorin und Regisseurin Greta Gerwig – die mit den Filmen Lady Bird und Little Women bereits zweimal erfolgreich den Prozess der Frauwerdung in die Kinos brachte – nun brechen.

Barbieland ist wie ein Ort in Schweden: irgendetwas zwischen Fantasie und alternativer Realität. Während die Barbies in Barbieland ein matriarchales Utopia leben, in denen die Kens nichts mehr verkörpern als ein schönes Beiwerk, und sie preisgekrönte Schriftstellerinnen, Journalistinnen und Physikerinnen verkörpern, und als Diplomatinnen, Richterinnen oder Präsidentinnen, die politischen Geschicke des Landes steuern, ist in der „echten Welt“ alles beim Alten. Männer regieren die Welt. Frauen werden an ihrem sexuellen Wert gemessen. Großunternehmen verstecken ihre patriarchale Struktur so gut wie nie zuvor. Feminismus scheint nicht mehr als ein Marketingtrend zu sein.

In Barbieland erwachte jeden Morgen die Stereotype Barbie (Margot Robbie). Sie ist glücklich, blond, wunderschön und lebt jeden Tag perfekt durchchoreografiert und in dem Glauben, die Barbies wären der Grund für die perfekte Emanzipation der Frau in der echten Welt – bis sie sich Gedanken über den Tod macht. Herausgeworfen aus dem Zirkel eines perfekten Lebens, stürzt Barbie in eine existenzielle Krise. Ihre Dusche ist kalt, ihre Waffeln mit Sahne ist verbrannt, ihre Milch ist sauer und… sie hat Plattfüße. Ihre einzige Chance, wie ihr die „komische Barbie“ (Kate McKinnon) – eine Barbie, mit der ein Kind „zu doll“ gespielt hat – erklärt: Sie muss das Kind finden, dass mit ihr spielt. Und so beginnt ihre Odyssee!

Gemeinsam mit Ken (Ryan Gosling) begibt sie sich in die „echte Welt“, bloß um die unfassbare Schwere eines Lebens als Frau im Patriarchat zu lernen. Während Barbie mit dem Prozess der Bewusstwerdung der eigenen Zerbrechlichkeit beschäftigt ist, lernt Ken das Patriarchat und Pferde, die nach ihm auf jeden Fall in Beziehung stehen, kennen. All die hegemonialen Ideale der Männlichkeit, die ihn nun umgeben, lassen ihn zu einem Andrew Tate werden; basierend auf seiner tiefen blonden Zerbrechlichkeit baut sich ein unbändiges Ressentiment auf.

Greta Gerwigs Fähigkeit altbekanntes in ein neues emanzipierteres (pinkes) Gewand zu stecken ist charmant, rebellisch, chaotisch und atemberaubend. Als Parabel einer patriarchalen und kapitalistischen Welt ist der Film ein bewusster Affront gegen und mit Mattel, die (so der Film) die Frauenbewegung um Jahrzehnte zurückwarf. Der Film versucht die Leiden im Patriarchat in Worte zu fassen, um dieser ihrer Macht zu berauben. Ein Versuch, die „Idee Barbie“ aufzubrechen und sie aus ihrer Box zu holen. Ob dies gelingt?

Es scheint zumindest die entsprechende mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, denn eine Masse aus Pink strömt in die Kinos, um den neuen Barbiefilm zu sehen: Zwischen existenzieller Krise, einem Schlachtfest der popkulturellen Anspielungen und einem patriarchalen Ressentiment, basierend auf einer blonden Zerbrechlichkeit, feiert Barbie ihr sozialkritisches Filmdebüt. An dieser Stelle müssen wir kurz über die Grenzen des Filmes hinausgehen und uns die Frage stellen: Wie wird Barbie eigentlich vermarktet?

Hashtag Barbenheimer. Während die beiden Filme, Barbie und Oppenheimer, auf den ersten bis X-sten Blick wenig gemeinsam haben, teilen sie sich ein gemeinsames Premierendatum. Dies scheint Anlass genug zu sein eine Memekultur um diese beiden Filme entstehen zu lassen. Während die Autor*innen und Schauspieler*innen streiken (und somit keine Werbetour für diese beiden Filme bestreiten), um (1) nicht durch eine AI ersetzt zu werden, (2) mehr Transparenz der Streamingdienste einfordern und (3) sich für Gehälter einsetzen, die ein Existenzminimum für Kunstschaffende garantieren, findet die Werbung anhand einer Memekultur statt. Hashtag Barbenheimer schadet aktiv den Streikanliegen der Autor*innen und Schauspieler*innen in Hollywood: ein Gewinn für Hollywood-CEOs und deren übermächtigen Produktionsfirmen.

Ein Vorstand eines großen Studios und ein AMPTP-Mitglied hat dem streikfeindlichen Nachrichtenportal „Hollywood Deadline“ gesagt, dass die Studios, die Streikenden ausbluten lassen wollen. Ihr Ziel ist es zu warten, bis alle Gewerkschaftsmitglieder ihre Appartements und Häuser verlieren. Die amerikanische Gewerkschaft SAG-AFTRA und die WGA kämpfen einen einsamen Kampf.

Ich finde es spannend, wie Memeseiten (hoffentlich) unbewusst die Streikanliegen torpedieren und riesigen Produktionsfirmen in die Karten spielen. Ein Phänomen, welches ich schwerlich fassen kann.

Text- und Bildrechte: Marcel Guthier.