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Eine wichtige Rede zur Geldpolitik

Wichtige Rede beim Frankfurt EURO FINANCE Summit von Dr. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank

Die Deutsche Bundesbank, Präsident Dr. Joachim Nagel:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

vor einem Jahr, beim letzten Frankfurt Euro Finance Summit, konnte ich leider nur per Video zu Ihnen sprechen. Denn in Berlin fand zeitgleich die Auftaktveranstaltung zur sogenannten Konzertierten Aktion statt.

Auf Initiative des Bundeskanzlers tauschten sich bei diesem und weiteren Treffen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber zur Preisentwicklung aus. Auch die Wissenschaft war vertreten – und die Bundesbank durch mich.

In diesen Runden ging es in erster Linie um einen Austausch über die Ursachen der Inflation und den Ausblick. Es wurden dort keine konkreten politischen Beschlüsse gefasst. Es gingen jedoch Impulse davon aus, um die Menschen von der hohen Inflation zu entlasten. 

Zudem war allen Beteiligten klar, dass es Aufgabe der unabhängigen Geldpolitik ist, Preisstabilität zu sichern. Und doch ist es unerlässlich, dass andere Akteure sich ihrer Verantwortung ebenfalls bewusst sind. Denn es geht auch darum, der Geldpolitik ihre Aufgabe nicht unnötig zu erschweren.


2 Geldpolitik auf Straffungskurs

Vor einem Jahr, meine Damen und Herren, lag der Einlagesatz, der derzeit wichtigste Leitzins des Eurosystems, bei minus 0,5 Prozent.

Dass er wenige Wochen später zum ersten Mal seit elf Jahren angehoben würde, war zu diesem Zeitpunkt klar kommuniziert. Was viele jedoch überrascht haben mag, war, dass das Kapitel Negativzinsen bereits mit dem ersten Zinsschritt beendet wurde. Und vor allem, dass innerhalb eines knappen Jahres sieben weitere Zinsschritte folgen sollten. 

Auf insgesamt 400 Basispunkte summiert sich der Leitzinsanstieg seit Juli 2022. Einen derart starken Zinsanstieg in einem vergleichbar kurzen Zeitraum hatten wir in Deutschland zuletzt in den 1970er Jahren. Und mal ganz ehrlich: Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? 

Wir haben uns die einschlägigen Expertenumfragen vom vergangenen Juli angeschaut und festgestellt: Es gab tatsächlich niemanden, der auf Jahressicht einen Einlagesatz von mehr als 3 Prozent vorausgesagt hat. Und aus Finanzmarktdaten von damals lässt sich auch nicht schließen, dass die Investoren diesem Leitzinsniveau eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet hätten. 

Fairerweise muss man an dieser Stelle hinzufügen, dass vor einem Jahr auch niemand wusste, wie stark und persistent sich die Inflation erweisen würde.

Manche, die es dem EZB-Rat nicht zutrauten, so kräftig an der Zinsschraube zu drehen, dachten womöglich ans Finanzsystem. Sie meinten vielleicht, selbst wenn der EZB-Rat wolle, könne er gar nicht. Frei nach Karl Valentin: Mögen hätten sie schon wollen, aber dürfen haben sie sich nicht getraut. Und tatsächlich ist eine derart rasche und deutliche Zinswende eine Herausforderung. Zumal die Banken in der ausgedehnten Niedrigzinsphase Verwundbarkeiten aufgebaut hatten.

Umso erfreulicher ist, dass die Banken im Euroraum die Zinswende bislang gut verkraftet haben. Das ist nicht zuletzt den Aufsichts- und Regulierungsreformen nach der Finanzkrise von 2008/09 zu verdanken. Unsere Banken sind heute besser mit Eigenkapital und Liquidität ausgestattet als damals. Dies zahlt sich jetzt aus.

Tatsächlich sind die Bankenturbulenzen in den USA und in der Schweiz nicht auf den Euroraum übergeschwappt. Was freilich nicht heißen soll, dass die Regulierung perfekt wäre. Es ist immer wieder sinnvoll zu prüfen, ob und wo regulatorischer Anpassungsbedarf besteht. Und das geschieht auch.

Die geldpolitische Straffung begann nicht erst mit dem ersten Zinsschritt. Sie fing bereits mit dem Zurückfahren der Anleihekäufe an.

Im März 2022 wurden die Nettokäufe im Pandemieprogramm PEPP beendet. Gemäß derzeitiger Beschlusslage sollen auslaufende Anleihen bis Ende 2024 ersetzt werden.

Vor einem Jahr wurden die Nettoanleihekäufe im langjährigen Kaufprogramm APP eingestellt. Ab März dieses Jahres wurden die Reinvestitionen zurückgefahren, seit Juli nun werden fällige Papiere gar nicht mehr durch neue ersetzt.

Dadurch bekommt der Bilanzabbau zusätzlichen Schwung. Im Schnitt werden im APP Anleihen im Wert von etwa 25 Milliarden Euro pro Monat fällig. Gemessen an einem Anleihebestand von insgesamt knapp 5 Billionen Euro bleibt das Abbautempo aber weiterhin überschaubar. 

Immerhin trägt auch das Auslaufen der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO 3) zum Bilanzabbau bei. Vergangene Woche wurden knapp 477 Milliarden Euro fällig. Zudem wird die Option rege genutzt, diese Geschäfte vorzeitig zurückzuzahlen. Für mich ist dies auch ein Zeichen, dass die Finanzmärkte bereit sind für eine Normalisierung der Liquiditätsbedingungen.


3 Inflationsrate weiter zu hoch

Der maßgebliche Grund für den geldpolitischen Kurswechsel ist die hohe Inflation. Bis auf 10,6 Prozent stieg die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflation im Oktober 2022 im Euroraum. Es war die höchste Preissteigerungsrate, seit es den Euro gibt.

Die Teuerungswelle begann bereits 2021, also vor dem russischen Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr. Daran muss bisweilen erinnert werden, wenn die hohe Inflation einseitig auf den Krieg zurückgeführt wird.

Die dadurch ausgelöste Energie- und Nahrungsmittelkrise hat die Inflation zwar zweifellos verstärkt. Die HVPI-Rate hatte aber schon im Herbst 2021 einen neuen Höchstwert erreicht und eilte seitdem von Rekord zu Rekord.

Auf die Gefahr, dass die Inflation länger erhöht bleiben könnte als erwartet, hatte ich bereits in meiner Antrittsrede Anfang 2022 hingewiesen. Zu jener Zeit vertraten viele noch die Ansicht, dass die hohen Inflationsraten ein vorübergehendes Phänomen seien. Eine Begleiterscheinung der wirtschaftlichen Erholung von der Pandemie, bedingt durch Lieferkettenstörungen, Nachholkonsum und so weiter.

Diese Einschätzung hatte damals ja durchaus noch etwas für sich. „Transitorisch“ war gewissermaßen das geldpolitische Wort des Jahres 2021. Für mich war indes von Anfang an klar, dass die Geldpolitik nun entschieden handeln muss. Und das hat sie dann auch getan. 

Natürlich kann man im Nachhinein sagen, hätte das Eurosystem doch früher damit begonnen, die Geldpolitik zu normalisieren. Aber das ist eine müßige Debatte. Wie Harvard-Ökonom Benjamin Friedman im vergangenen Jahr sagte: Wann immer eine Notenbank merkt, dass sie ihre Geldpolitik ändern muss, wünscht sie sich immer, bereits früher gehandelt zu haben.“

Ermutigend ist, dass die Inflationsrate seit ihrem Hoch im vergangenen Herbst deutlich zurückgegangen ist. Im Juni lag die Gesamtrate im Euroraum laut Schnellschätzung bei 5,5 Prozent. Hinter diesem Rückgang stehen vor allem die rückläufigen Energiepreise.

Weiterhin deutlich teurer als ein Jahr zuvor sind hingegen Nahrungsmittel. Doch immerhin haben sich die Preissteigerungen dort zuletzt etwas abgeschwächt. Das merke ich auch beim wöchentlichen Lebensmitteleinkauf: Butter oder Speiseöl sind wieder etwas günstiger geworden, aber nach wie vor erkennbar teurer als vor zwei Jahren.

Die Kerninflationsrate, bei der die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden, zeigt noch keinen klaren Abwärtstrend. Im Juni lag sie gemäß Schnellschätzung bei 5,4 Prozent und damit wieder etwas höher als im Monat zuvor. Die zugrundeliegende Inflation ist also hartnäckiger, als der Rückgang der Headline-Rate nahelegt. 

Unser Ziel von 2 Prozent verfehlen wir nun schon seit zwei Jahren. Und die jüngste Prognose der Eurosystem-Fachleute zeigt, dass eine zeitnahe Rückkehr zum Zwei-Prozent-Ziel alles andere als ausgemacht ist.

Für den Euroraum erwarten die Fachleute in diesem Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 5,4 Prozent. Für 2024 sind es dann 3,0 Prozent, und selbst 2025 wird unsere Mission noch nicht ganz erfüllt sein. Denn mit 2,2 Prozent lägen wir dann weiterhin über der Zielinflationsrate.

Zudem musste die Prognose für die Kernrate merklich nach oben korrigiert werden. Für 2025 liegt sie nun bei 2,3 Prozent. 

Hinzu kommt, dass die Aufwärtsrisiken für den Preisausblick dominieren. Mit anderen Worten: Betrachtet man die Prognose, so ist eher mit höheren als mit niedrigeren Inflationsraten zu rechnen. So könnten etwa unerwartet starke Zuwächse bei Löhnen oder Gewinnmargen die Inflation auf mittlere Sicht ansteigen lassen.

Vor diesem Hintergrund hat der EZB-Rat am 15. Juni entschieden, die Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte anzuheben. Zudem ließ EZB-Präsidentin Christine Lagarde in ihrer Pressekonferenz wenig Zweifel daran, dass im Juli mit einem weiteren Zinsschritt zu rechnen sei.

Ob die Leitzinsen nach der Sitzung im Juli weiter erhöht werden müssen, werden wir in Abhängigkeit von der künftigen Datenentwicklung beschließen. So wie ich das sehe, haben wir noch eine Wegstrecke zurückzulegen. 

Entscheidend ist, dass wir die Inflation nachhaltig auf 2 Prozent zurückführen. Dafür braucht es ein ausreichend restriktives Zinsniveau. Und dieses Zinsniveau – wo immer es liegen wird – werden wir auch für eine längere Zeit halten müssen.

Insofern ist das Bild vom nahenden Zinsgipfel eigentlich schief. Denn nach dem Ersteigen eines Gipfels folgt ja meist unmittelbar der Abstieg. 

Besser gefällt mir da der Vergleich mit der Reiseflughöhe von Christine Lagarde.[1] Die verlässt ein Flugzeug ja auch nicht gleich, nachdem es sie erreicht hat. 

Ob wir nun Kurz-, Mittel- oder Langstrecke fliegen, kann ich Ihnen nicht sagen. Ultrakurzstrecke wird es sicherlich nicht sein. Die ist auch nicht nachhaltig. Für hohe Reiseflughöhen sprechen nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe: Da die Luftdichte nach oben abnimmt, verbrauchen Flugzeuge weniger Kerosin. Allerdings wird so manchem beim Blick auf die Flughöhe mulmig. 

Das bedeutet in unserem Fall: Zweifel an der Notwendigkeit von weiteren Zinsschritten werden wachsen; kritische Stimmen werden lauter, kritische Fragen gestellt: Sind die realwirtschaftlichen Kosten einer strikten Anti-Inflationspolitik nicht viel zu hoch? Ist der Fokus auf Preisstabilität überhaupt sinnvoll? Einzelne fragen sogar, ob es wirklich 2 Prozent sein müssen, ob 3 Prozent oder zweieinhalb nicht auch hinnehmbar wären oder gar vorteilhaft.

Das Eurosystem hat ein klares Mandat: Unsere vorrangige Aufgabe ist die Sicherung von Preisstabilität. Und der EZB-Rat hat sich hierfür eine ebenso klare Zielrate von 2 Prozent in der mittleren Frist gesetzt.

Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung würde bei Inflationsraten von 3 Prozent und mehr noch von Preisstabilität sprechen. Ein Aufweichen oder Relativieren unserer Zielrate würde dazu beitragen, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen steigen. Und wäre mit dem Risiko verbunden, dass sich die Inflation verfestigt. 

Die Geldpolitik müsste mit umso höheren und länger hohen Leitzinsen reagieren. Zudem würde das Risiko finanzieller Instabilität steigen. Auch das spricht dafür, dass die Geldpolitik rechtzeitig und entschieden reagiert.

Natürlich dämpft die Straffung die Konjunktur. Das ist ja gar nicht zu bestreiten und bereits zu beobachten. Leitzinserhöhungen sollen schließlich die Nachfrage und so den Preisanstieg dämpfen.

Um Preisstabilität wiederherzustellen, müssen sich Angebot und Nachfrage auf aggregierter Ebene angleichen. Das ist zweifellos unpopulär. Aber genau deshalb gibt es unabhängige Zentralbanken.

So schlecht sind Lage und Ausblick der Wirtschaft im Euroraum indes nicht: Die Fachleute des Eurosystems rechnen für dieses Jahr mit einem realen Wachstum um 0,9 Prozent im Euroraum. Für die kommenden beiden Jahre stehen 1,5 Prozent bzw. 1,6 Prozent in ihrer aktuellen Prognose. Und mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen sie nicht. 

Im Gegenteil: Der Arbeitsmarkt ist so robust und angespannt, dass es zu weiteren kräftigen Lohnerhöhungen kommen könnte. Die realwirtschaftliche Entwicklung liefert mithin keinerlei Anzeichen einer überzogenen Straffung. Ebenso wenig sprechen Finanzmarktdaten dafür.

Der Leitzins ist das wichtigste und wirksamste Instrument, das die Geldpolitik hat, um ihrem Mandat gerecht zu werden. 


4 Anpassungen am geldpolitischen Handlungsrahmen in der Diskussion

Wenn ich sage „der Leitzins“, ist das zugebenermaßen unpräzise. Denn bekanntlich gibt es im Euroraum nicht nur einen, sondern drei Leitzinssätze: den Zinssatz für die Einlagenfazilität, den Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und den Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Letzterer war lange Zeit der wichtigste der drei Sätze.

Zur Erinnerung: Die einwöchigen Hauptrefinanzierungsgeschäfte waren einst das zentrale Instrument des Eurosystems, Liquidität bereitzustellen. Und Banken, die daran teilnehmen wollten, mussten mindestens diesen Satz bieten.

Damit der Markt weder über- noch unterversorgt wurde, stellte das Eurosystem aufwändige Rechnungen an, wieviel Liquidität gebraucht wird. Daran kann ich mich gut erinnern. Schließlich gehörte es zu meinen ersten Aufgaben als Bundesbank-Volkswirt in Frankfurt, solche Liquiditätsbedarfsschätzungen durchzuführen.

Der Tagesgeldsatz für unbesicherte Geldmarktgeschäfte (EONIA) lag meist in der Nähe des Hauptrefinanzierungssatzes. Hin und wieder gab es auch größere Schwankungen. Die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungs- und die Einlagenfazilität waren dann gewissermaßen die Leitplanken des Geldmarkts. Sie bildeten einen Korridor, in dem sich der Tagesgeldsatz bewegte. 

Mit der Finanzkrise stellte das Eurosystem dann auf Vollzuteilung zu festen Sätzen um. Banken fragten im Aggregat vorübergehend mehr Liquidität nach, als sie unmittelbar benötigten. 

In der Folgezeit bot das Eurosystem dann wiederholt Refinanzierungsgeschäfte mit mehrjährigen Laufzeiten an. Dank äußerst günstiger Konditionen wurden diese sehr stark nachgefragt. 

Durch die späteren Anleihekäufe des Eurosystems an der Zinsuntergrenze entstand dann noch sehr viel mehr Überschussliquidität. Ihr Umfang überstieg den zu Zeiten der Finanz- oder Staatsschuldenkrise sehr deutlich. 

Deshalb orientieren sich kurzfristige Zinsen im Euroraum seit geraumer Zeit am Einlagesatz. In der Diskussion wird das manchmal als De facto-Floorsystem bezeichnet. 

Mit dem einsetzenden Abbau der geldpolitischen Wertpapierbestände stellt sich perspektivisch die Frage, welches Instrumentarium künftig zur Steuerung der kurzfristigen Zinsen genutzt werden sollte.[2] Erste Überlegungen dazu wurden im Eurosystem bereits angestellt, ohne dass schon etwas entschieden wurde.

Zunächst einmal lässt sich Preisstabilität prinzipiell in beiden Systemen gewährleisten: sowohl in einem Korridor-System, also bei knapper Zentralbankliquidität, als auch in einem Floor-System mit dauerhaften Überschussreserven. 

Klar ist, dass mit den vergangenen Krisen auch Veränderungen einhergegangen sind, die sich dauerhaft auswirken – beispielsweise in der Regulierung der Banken. Und die hohe Überschussliquidität, die das Eurosystem im Zuge der Wertpapierkäufe bereitgestellt hat, macht es für Banken vielfach unnötig, den Interbankenmarkt in Anspruch zu nehmen.

Nach etlichen Jahren mit sehr reichlicher Ausstattung des Bankensystems mit Zentralbankliquidität gibt es auch Sorgen. Wie käme das Finanzsystem mit einer schnellen Rückführung überschüssiger Liquidität auf deutlich niedrigere Niveaus zurecht?

Insofern besteht kein Anlass, vorschnelle Festlegungen zu treffen und etwa zwingend zu einem Korridor-System alter Prägung zurückzukehren. Auch ein Floor-System kommt grundsätzlich als künftiger operativer Handlungsrahmen in Betracht.

Entscheidend ist in meinen Augen, dass der Handlungsrahmen den folgenden zwei Prinzipien gerecht wird:

Erstens sollte dem Markt wieder mehr Raum gegeben werden. Ich traue dem Marktmechanismus grundsätzlich zu, Ressourcen dorthin fließen zu lassen, wo sie produktiv eingesetzt werden. 

Zweitens sollte die Zentralbankbilanz in einem akzeptablen Zeitraum auf ein deutlich niedrigeres, vertretbares Niveau abgebaut werden. Denn geldpolitische Herausforderungen in der Zukunft könnten es erfordern, dass wieder mehr Handlungsspielraum verfügbar ist. 

Aus meiner Sicht spricht deshalb viel dafür, dass der Fußabdruck der Zentralbank im Markt künftig wieder deutlich überschaubarer wird. Das würde insbesondere eine deutlich kleinere Bilanzsumme bedeuten.

Aus diesen Gründen setze ich mich dafür ein, dass die Bilanz des Eurosystems in den kommenden Jahren deutlich zurückgeführt wird. 


5 Schluss

Die Normalisierung der Geldpolitik bietet uns die Gelegenheit, den operativen Handlungsrahmen zu überprüfen. Dieser sollte einfach, effizient und möglichst marktneutral sein, und gleichzeitig eine gute Zinssteuerung ermöglichen. 

Der Handlungsrahmen ist das Vehikel zur Übertragung der geldpolitischen Signale. Derzeit zeigen die geldpolitischen Signale klar in Richtung weitere Straffung. 

Die Inflation im Euroraum ist zwar rückläufig, aber weiterhin zu hoch. Und die jüngsten Prognosen legen nahe, dass wir mit einem zeitnahen Wiederherstellen von Preisstabilität nicht rechnen können. 

Die Inflation erweist sich als hartnäckiger, als viele dachten. Nun muss sich die Geldpolitik als hartnäckiger und konsequenter erweisen, als viele erwartet hätten."

Foto: Frank Rumpenhorst

Fußnoten:

Lagarde, C. (2023), The fight against inflation, Rede beim Deutschen Sparkassentag 2023, Hannover, 1. Juni. Schnabel, I. (2023), Back to normal? Balance sheet size and interest rate control, Rede in New York, 27. März.

Deutsche Bundesbank Eurosystem (Webpräsenz)

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